Demokratie, Herausforderungen und politische Beteiligung

Was ist Demokratie? Welchen Herausforderungen steht sie gegenüber? Wie kann ich mich politisch beteiligen?
Mit diesen Fragen beschäftigt sich nicht nur dieser Blogbeitrag, sondern auch die Vortragsreihe „Demokratie brennt“ im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft „Demokratieforschung“ der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Karl-Franzens-Universität Graz.

Am 15.03.2023 fand im Zuge der Vortragsreihe ein spannendes Round-Table-Gespräch mit dem Titel“ Geisteswissenschaftliche Perspektiven auf eine gesellschaftliche Umbruchzeit“ statt. Diesmal saß auch eine unserer Kolleginnen der ARGE Jugend im Publikum und konnte sich so einen besseren Einblick in dieses doch sehr komplexe Thema verschaffen, um anschließend darüber zu berichten und weiter auszuführen.

Am Round-Table-Gespräch nahmen insgesamt 6 Personen aus unterschiedlichen Fachrichtungen teil:

  • Eisch-Angus, Katharina, Univ.-Prof. Dr.habil (Institut für Kulturanthropologie und Europäische Ethnologie)
  • Schögler, Rafael, Assoz. Prof. Mag.phil. Dr.rer.soc.oec. Bakk. MA (Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft)
  • Lamprecht, Gerald, Univ.-Prof. Mag. Dr.phil. (Centrum für Jüdische Studien)
  • Grabovac, Daniela, Mag.iur. (Leitung Antidiskriminierungsstelle Steiermark, Institut für Öffentliches Recht und Politikwissenschaft)
  • Parmida Dianat (Masterstudentin der Europäischen Ethnologie und Kulturanthropologie)
  • Urricelqui Ramos, Leyre, BA. MA. als Vertretung für Abbt, Christine, Univ.-Prof. Dr. (Institut für Philosophie)

Demokratie, Inklusion und Exklusion?
Begonnen wurde mit einer kurzen Ausführung, welche Rolle das Thema „Demokratie“ in der eigenen Forschung hat. Spannend dabei war, dass es in vielen Bereichen um das Thema Exklusion und Inklusion geht und dahingehend auch um die Frage des Mitspracherechts und einer Machtverteilung geht.

Besonders auffällig sind solche Machtungleichheiten beispielsweise für Dolmetscher:innen, wenn gewisse Personen mehr Raum und Zeit für das Gesagte bekommen. Die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle berichtet aus ihrer beruflichen Praxiserfahrung, in der es vor allem um Stimmen geht, welche nicht gehört werden und das fehlende Empowerment.

Ein Beispiel, welches durch die komplexe juristische Lage immer wieder zu großen Schwierigkeiten führt, sind staatenlose Menschen, welche auch hier wieder kaum Gehör finden. 3.000 – 4.000 Personen sind laut der Expertin in Österreich staatenlos und 56 davon sind dies bereits seit 3 Generationen.

Bei solchen komplexen Problemlagen und bei „Krisenzeiten“ wird gerne mal die Aussage „früher war alles besser“ getätigt. Der Geschichtswissenschaftler betont hier jedoch, dass sich die Geschichte immer wieder wiederholt und es gerade dadurch gewisse Strukturen gibt, aus denen man Schlüsse ziehen kann. Auch er geht auf die Thematik der Partizipation und des Ausschlusses ein, welche sich insbesondere in der jüdischen Geschichte durchzieht. Dabei verdeutlicht er, dass es bei Partizipationsfragen meist aus der Perspektive der Mehrheit geschieht und man somit an „Grenzen der Wahrheit“ kommt.

Welchen Herausforderungen steht die Demokratie gegenüber?
Der Translationswissenschaftler betont, dass es heutzutage zwar viele Übersetzungen gibt, aber oftmals kein Verständnis. Wichtig dabei zu beachten ist vor allem, wie Kommunikation in den jeweils betrachteten Gruppen geschieht. Insbesondere ist es wichtig, Texte aus der Perspektive der schreibenden Person zu betrachten und den (kulturellen) Kontext dabei nicht auszublenden.

Laut der Kulturanthropologin werden in der Gegenwart oftmals festgefrorene Fronten verschleiert, wodurch es schwierig wird die Ideologien dahinter zu erkennen. Als Beispiel nennt sie die Vermischung der „Rechts/Links“ Seiten bei verschiedenen Demonstrationen. Für sie ist es besonders wichtig hervorzuheben, in welchen Kontexten wie gesprochen wird und die Erfahrungsperspektiven zu berücksichtigen.

Für die Philosophin ist für die Beantwortung der Frage grundlegend zu erkennen, welche Ideologien die Demokratie überhaupt entdemokratisieren können. Wer hat Zugang, um zu sprechen/gehört zu werden? Wer entscheidet? Damit einhergehend ist auch das Thema Gewalt und Macht ein wichtiger Aspekt für die Herausforderungen der Demokratie.

Der Geschichtswissenschaftler geht in seiner Argumentation auf die Covid-Pandemie ein und betont, dass diese eine Art Katalysator für die verschiedenen „-ismen“ gewesen sei (z.B. Liberalismus, Nationalismus, Individualismus, etc.). Es geht vor allem, um die Prävention und die historische Einordnung. Auch das Thema Verschwörungstheorien kann man aus historischer Perspektive gut betrachten. Welche Abwehrstrategien hat es diesbezüglich gegeben/gibt es? Er beschreibt die verschiedenen Erzählungen/Geschichten/Narrative, die in der Gesellschaft immer wieder vorkommen, wie beispielsweise die „Flüchtlingszeit“ und erwähnt hierbei die Wichtigkeit von Gegennarrativen, die aufgezeigt werden sollen, da die gesamte Menschheitsgeschichte von Migration durchzogen ist. Außerdem betont er die große Verantwortung der Universität als Ausbildungsstätte, vor allem hinsichtlich der Lehramtsstudien. Welche Werte bekommen sie und die nächsten Generationen vermittelt?

Die Kulturanthropologie-Studentin beschreibt die vielen Symptombekämpfungen, die statt systematischer Bekämpfung gemacht werden. Sie sieht auch das Problem, sich zu positionieren als eine weitere Herausforderung der Demokratie. Durch die fehlende Dialogfähigkeit und insbesondere durch die soziale Erwünschtheit wird viel weniger die eigene Meinung kundgegeben, wodurch in weiterer Folge politische Ohnmacht entsteht. Sie plädierte auch dafür den Demokratie-Begriff zu öffnen, sodass dies nicht nur bedeutet, wählen zu gehen, sondern auch ein Teil unseres aktiven Lebens zu sein.

Laut der Juristin gibt es vor allem in der heutigen Zeit vermehrt hochkomplexe Fälle und vor allem schnell wechselnde Themen. Vom Klimaschutz, zur Corona-Pandemie und vieles weitere. Allgemein ist ein großer Gesprächsbedarf vorhanden, da es insbesondere durch die Bürokratisierung kaum noch Zeit gibt, um gehört zu werden. Wodurch es nicht mehr um den Menschen geht und auch kein gemeinsamer Nenner gefunden wird. Somit kämpfen vor allem Minderheiten für sich selbst. Bei der Bekämpfung von antidemokratischen Tendenzen ist es für sie besonders wichtig „out of the box“ zu denken, das insbesondere durch die Geisteswissenschaften beigetragen werden kann. Allgemein wird von den Teilnehmenden die Stärke der Geisteswissenschaft vor allem in der Abgrenzung bzw. Überschreitung von unmittelbar gegebenen Alltagserfahrungen gesehen. Indem man sich mit Fragen wie „Wie könnte es aussehen“ oftmals mit der Utopie beschäftigt, können auch aufschlussreiche Erkenntnisse gerade dadurch gefunden werden. Es werden zudem (Macht)-verhältnisse hinterfragt, sichtbar gemacht und gedeutet.

Doch was heißt überhaupt Demokratie?
Demokratie bedeutet in erster Linie auch Respekt vor anderen Meinungen. Es soll ermöglicht werden, dass alle Menschen in gegenseitigem Respekt ihre Meinung äußern und so auch ihre Anliegen vertreten können. Diese Anliegen werden im Parlament durch die verschiedenen gewählten Parteien, die Regelungen für die Gesetzgebung und die parlamentarische Kontrolle umgesetzt. Das Wort Demokratie stammt aus dem Griechischen und bedeutet “Volksherrschaft”. D.h. in der Demokratie ist das Volk der staatliche Souverän (die oberste Staatsgewalt) und die politischen Entscheidungen werden durch den Mehrheitswillen der Bevölkerung gefällt. Die wichtigsten Merkmale einer Demokratie sind Meinungsfreiheit, Existenz einer Opposition und Gewaltenteilung.

In einer Demokratie geht das Recht vom Volk aus. Artikel 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes lautet: “Österreich ist eine demokratische Republik. Ihr Recht geht vom Volk aus.”

Noch viel interessanter und wichtiger ist auch die Vielzahl an Möglichkeiten, sich aktiv als Bürger:in zu beteiligen. Denn im Gegensatz zu einem politischen Termin, welcher verweigert oder auch durch das politische Büro abgesagt werden kann, müssen Politiker:innen im Parlament erscheinen und dort Rede und Antwort stehen. Vom Wahlrecht Gebrauch zu machen und sich politisch zu beteiligen, bedeutet, die Zukunft Österreichs entscheidend mitzubestimmen.

Wie kann ich mich politisch beteiligen?

  • Informieren: Als wichtigste Aufgabe gilt es, sich ein Bild der verschiedenen Möglichkeiten/Parteien/Wahlprogramme etc. zu verschaffen und sich dazu eine eigene Meinung zu bilden. (Tipp: verschiedene Zeitungen zum gleichen Thema lesen. Es ist erstaunlich wie unterschiedlich Berichterstattungen sein können. Das hilft die eigene „Blase“ zu durchbrechen)
  • Wählen
  • Diskussionen zu aktuellen politischen Themen (z.B. Stammtisch, im Café, Podiumsdiskussionen, …)
  • Volksabstimmung
  • Volksbegehren
  • Volksbefragung
  • Bürgerbeteiligung
  • Bürgerinitiative
  • Petitionen
  • Stellungnahmen
  • Gesetzesinitiativen
  • Ministerialentwürfe

Copyright: https://www.parlament.gv.at/beteiligen/wissenswertes

 

Text: Jasmina Salkic

Quellen:

Begriff Demokratie:

BürgerInnenbeteiligung – Direkte Demokratie

Demokratie in Österreich

Politik mitgestalten 

Wissenswertes zum Thema BürgerInnenbeteiligung und direkte Demokratie 

Vortragsreihe „Demokratie brennt“ jeweils Mittwoch 19:00 bis 20:30 Uhr; im HS 06.03, Universitätsplatz 6, 8010 Graz im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft „Demokratieforschung“ der Geisteswissenschaftlichen Fakultät an der Karl-Franzens-Universität Graz.

 

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