Lernen leicht gemacht! Interaktiv-spielerische Methoden für soziales Lernen

“What I hear I forget,

What I see, I remember,

What I do, I understand!”

(Konfuzius)

 

Schon Konfuzius erkannte die Selbsterfahrung als eine der effektivsten Lernmethoden. SchülerInnen und SeminarteilnehmerInnen melden immer wieder zurück, dass genau jene Inhalte in Erinnerung bleiben, zu denen selbst aktiv gearbeitet wurde. Interaktive Lehrmethoden gewinnen ihre Wirksamkeit daraus, dass komplexe Fragestellungen auf strukturierte Weise bearbeitet werden, wobei dem Austausch, den Erfahrungswerten, den unterschiedlichen Perspektiven und den eigenen Lösungsansätzen der TeilnehmerInnen viel Raum gegeben wird. Dies kurbelt einerseits die Beteiligung und den Innovationsgeist der TeilnehmerInnen an. Andererseits erhöht sich durch das eigenständige Erarbeiten der Inhalte der Lerneffekt und die Wahrscheinlichkeit, dass besprochene Lösungsansätze im Alltag umgesetzt werden, da sich die Beteiligten intensiver mit den Themen auseinandersetzen und eigene Erfahrungen damit verbinden.

 

Besonders junge Menschen können Inhalte durch interaktiv-spielerische Methoden oft viel besser fassen als durch frontales Lernen. In gewissen Aspekten lehnen sich interaktiv-spielerische Methoden an die pädagogische Theorie von Maria Montessori an. Die Lehrmethode versucht sich umfassender an die Bedürfnisse und Lerntypen verschiedener SchülerInnen anzupassen. Während frontales Lernen SchülerInnen abholt, die gerne und gut zuhören, kann bei interaktiven Lehrmethoden eine Bandbreite an Lernmodi vereint werden – vom Zuhören, über Eigenrecherche, Diskussion und Versuch-und-Irrtum, bis hin zum Basteln, Rollenspielen, Wettbewerben, bildnerischer und theatralischer Umsetzung. SchülerInnen werden angeregt, aktiv etwas zu tun, wobei ihre Kreativität und Selbstständigkeit angeregt wird.

Gerade bei SchülerInnen, die im üblichen Unterricht viel Widerstand bringen und keine Lust haben, greifen interaktiv-spielerische Methoden oft am besten. In der Dynamik eines Spiels können selbst jene Jugendliche, die sonst desinteressiert sind, auf einmal motiviert werden. Dies ist auch oft durch den Wettbewerb mit den MitschülerInnen bedingt.

 

Abb. 1: © ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus. SchülerInnen eines Grazer Gymnasiums bei einem von
den Jugendlichen entwickelten Workshop.

 

ARGE Referent Jörg Kapeller berichtet von seiner positiven Erfahrung wie er desinteressierten, unruhigen Kindern durch ein selbst entwickeltes Spiel die Wichtigkeit von Regeln für ein Miteinander beibrachte: „Wir waren an einer Schule, wo wirklich nichts funktioniert hat, um die Kinder zu motivieren und erreichen. Die Kinder wollten nicht reden und konnten es teilweise auch nicht auf Deutsch, waren unruhig und absolut desinteressiert. Aus dieser Not entstand die Idee, ein Spiel zu entwickeln, in dem die Jugendlichen selbst etwas tun müssen, – in diesem Fall: Regeln selbst machen – und in dem es ein Erkenntnisziel gibt – in diesem Fall das Erkenntnisziel, dass Regeln für eine Gemeinschaft und Gesellschaft elementar sind.“

 

Methodentipp: Spielerische Methoden, die soziales Lernen leicht und lustig machen

Zwei der von Jörg Kapeller entwickelten Methoden zum interaktiv-spielerischen sozialen Lernen stellen wir euch hier vor:

  • Utopia – ein Simulationsspiel, um Regeln verstehen zu lernen

 

Abb. 2

 

Die SchülerInnen bilden Gruppen. Jede Gruppe befindet sich auf einer eigenen Insel mit 100.000 EinwohnerInnen. Jede Gruppe darf sich für ihre Insel einen Namen aussuchen. Auf all diesen Inseln gibt es keine Regel und neue Regeln sind aufzustellen. In diesem Prozess bestimmen die Jugendlichen selbst, welche Regeln aufgestellt werden oder nicht und haben darin völlig freie Hand. Dies erregt die Aufmerksamkeit der SchülerInnen meist besonders, weil sie normalerweise diejenigen sind, die Regeln aufgesetzt bekommen und sie sich freuen, einmal die „ChefInnenrolle“ einnehmen zu können. Die SchülerInnen können nun entscheiden, welche Regeln sie für ihre Insel aufstellen. Allerdings werden diese Regeln anschließend ausgewertet und fehlende Regeln haben Konsequenzen, nämlich Tote (dies kann natürlich alternativ geändert werden). Hierfür stellt man eine Liste mit Regeln zu verschiedenen Themen (z.B. Umwelt und Verschmutzung, Gesundheit, Gewalt, Kleinkriminalität, Obdachlosigkeit und Armut, Süchte, …) auf, denen man unterschiedliche Prioritäten und die damit zusammenhängende Schwere der Konsequenz zuweist. Wenn es keine Regeln zur Gewaltprävention, gibt es beispielsweise 4000 Tote, wenn es keine Regeln zum Umweltschutz gibt, gibt es beispielsweise 3000 Tote, und so weiter. Anhand dieser Auswertung bekommt jede Gruppe nach der ersten Runde die Information, wie viele ihrer EinwohnerInnen überlebt haben und wie viele gestorben sind und welcher der Grund ist, warum bei ihnen die meisten EinwohnerInnen gestorben sind. Danach gibt es zwei weitere Runden, die gleich ablaufen und in denen die SchülerInnen die Chance haben, ihre Regeln anzupassen. Nach der dritten Runde gibt es die Endauswertung.

Dadurch, dass die SchülerInnen in Gruppen spielen und sich mit ihren MitschülerInnen vergleichen können, entsteht noch mehr Ansporn, effektive Regeln aufzustellen, um möglichst wenig Tote auf ihrer Insel zu haben.

Nach den drei Runden gibt es eine Reflexion mit einer einfachen Frage wie zum Beispiel: „Warum gibt es in der Schule eine Hausschuhpflicht?“

 

  • Verschwörungstheorien – Jede/r kann verschwören

Hier ist ein Video, in dem Jörg Kapeller erklärt, wie er diese Methode in einer Klasse anwendet.

Die spielerische Methode hat zum Ziel, dass die SchülerInnen den Mechanismus, auf dem Verschwörungstheorien basieren verstehen und so für den Unterschied zwischen Wissen aus fundierten Quellen und Verschwörungstheorien sensibilisiert werden. Dafür bekommt die Klasse den Auftrag, eine Verschwörungstheorie zu erfinden.

 

Abb. 3

 

Die Sache. Zuerst soll sich die Klasse auf eine Sache einigen. Dafür werden einige Hilfestellungen gegeben: Es soll sich um eine Sache handeln, die möglichst jede/r in der Gesellschaft kennt bzw. zu der möglichst jede/r in der Gesellschaft einen Bezug dazu hat. Die Sache soll möglichst viele Menschen und nicht nur bestimmte Gruppen betreffen (z.B. Jeans betreffen mehr Menschen als Röcke). Es soll sich um etwas Alltägliches, Harmloses handeln, bei dem sich aber wenige wirklich gut auskennen. Nun werden mit der Klasse Themen gesammelt, von welchen der/die SpielleiterIn fünf auswählt, die am besten geeignet sind. Über diese 5 Themen wird noch einmal abgestimmt.

 

Der/Die DrahtzieherIn. Als zweites soll sich die Klasse auf eine/n DrahtzieherIn einigen. Dafür werden folgende Hilfestellungen gegeben: Es soll jemand sein, der/die von der Verschwörungstheorie profitiert. Am glaubwürdigsten ist es, wenn es reiche Personen oder große Organisationen sind. Es sollte jemand sein, den/die möglichst jede/r in der Gesellschaft kennt. Nun werden mit der Klasse DrahtzieherInnen gesammelt, von welchen der/die SpielleiterIn fünf auswählt, die am besten geeignet sind. Über diese 5 DrahtzieherInnen wird noch einmal abgestimmt.

 

Die Verschwörungstheorie. Nun wird rund um die Sache und dem/der DrahtzieherIn gemeinsam eine Geschichte gesponnen. Dabei können folgende Fragestellungen bei der Erfindung helfen: Welche Lüge könnte hinter der Sache stecken? Wie könnte der/die DrahtzieherIn aus der Sache profitieren? Was ist das Ziel des/der Drahtziehers/Drahtzieherin? Wer ist noch in den Skandal verwickelt? Wer hat den Skandal aufgedeckt?

 

Die erfundene Verschwörungstheorie kann anschließend auf ein Plakat gedruckt werden mit Hinweisen auf die Kennzeichen einer Verschwörungstheorie.

 

Inspiration, die nach mehr ruft

Die beiden vorgestellten Methoden und das Erklärungsvideo von ARGE Referenten Jörg Kapeller geben eine Inspiration dafür, wie brandaktuelle und relevante Themen – wie zum Beispiel Regeln für ein Miteinander oder Verschwörungstheorien – so aufbereitet werden können, dass sie für Kinder und Jugendliche greifbar sind. Mit interaktiv-spielerischen Methoden werden Jugendliche zum Lernen, zum eigenständigen Reflektieren und zum Lösen von Problemen motiviert. Durch spielerische Ansätze können SchülerInnen komplexe Inhalte nachhaltiger verstehen.

Nun heißt es: (Inter-)Aktiv ausprobieren.

 

Autorin: Verena Ulrich

 

Weiterführende Links:

Youtube-Video „Spielerische Unterrichtsmethode zum nachhaltigen Lernen über Verschwörungstheorien“: Referent der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus Jörg Kapeller erklärt, wie man Jugendliche auf interaktiv-spielerische Weise für Verschwörungsmethoden, ihre Gefahren und Merkmale sensibilisieren kann.

Interaktive Workshop-Methoden, die auch digital eingesetzt werden können

Interaktive Methoden zur politischen Bildung

 

Fotoverweise:

Abb. 1: © ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus

Abb. 2: von Robert Coelho auf Unsplash

Abb. 3: von Startaê Team auf Unsplash

 

Die beiden vorgestellten Spiele von Jörg Kapeller und viele weitere interaktive Lehrmethoden zu Themen wie Gemeinschaft, Gewaltprävention, Antidiskriminierung und Menschenrechte können in unseren Workshops gebucht werden unter office@argejugend.at.

 

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