Das Thema Gendern sorgt schon seit vielen Jahren für Diskussionen und spaltet auf eine gewisse Art und Weise unsere Gesellschaft. Während viele die geschlechtergerechte Sprache befürworten und als wichtig erachten, lehnen es andere vehement ab und halten es nicht für nötig, den eigenen Sprachgebrauch zu verändern. Argumente gegen das Gendern sind oftmals die schlechtere Lesbarkeit oder auch die plötzliche Veränderung unserer Sprache. Hinter Binnen-I, Gendersternchen und Co. steckt jedoch viel mehr – es setzt ein großes Zeichen für Gleichberechtigung. Dieser kleine Einfluss auf die Sprache, hat einen noch größeren Einfluss auf uns und die Gesellschaft. Vor allem im Kindesalter sorgt geschlechtergerechte Sprache für mehr Sichtbarkeit und Offenheit in puncto Geschlechterrollen. Darum sollte man mit dem Gendern schon bei den Jüngsten unter uns beginnen.
Was ist Gendern überhaupt?
Wenn man in der deutschen Sprache über eine Gruppe spricht, benutzt man meist die männliche Bezeichnung, das generische Maskulinum. Es ist empirisch schwer zu belegen, ob die männliche Pluralform schon immer in unserer Sprache verwendet wurde, um über Menschengruppen unterschiedlicher Geschlechter zu sprechen. In Österreich gab es jedoch bereits im 20. Jahrhundert erste linguistische Empfehlungen zur sprachlichen Gleichbehandlung zwischen Männern und Frauen. Eine geschlechtergerechte Sprache fördert nämlich das Bewusstsein der Gleichwertigkeit aller Geschlechter. In der Sprache werden Frauen nämlich oft unsichtbar gemacht, weil im alltäglichen Sprachgebrauch meist ausschließlich männliche Formen genutzt werden. Denn auch wenn das generische Maskulinum grammatikalisch für alle gilt, stellt man sich laut vielen psycholinguistischen Studien, meist Männer vor, wenn ausschließlich männliche Bezeichnungen verwendet werden. Fragt man Versuchspersonen beispielsweise nach ‚Musikern‘ oder ‚Schriftstellern‘, werden signifikant mehr Männer als Frauen genannt. Das zeigt uns, dass das generische Maskulinum männliche Bildern erzeugt. Gendern soll diese, ausschließlich männlichen Bilder im Kopf lösen und stattdessen alle Menschen repräsentieren.
Mittlerweile gibt es schon die unterschiedlichsten Formen des Genderns. Eine gängige Variante ist es, Paarformen zu bilden, sprich ‚Lehrerinnen und Lehrer‘, ‚Kellnerinnen und Kellner‘ oder ‚Politikerinnen und Politiker‘. Außerdem ist es möglich, die weibliche Form durch eine Abkürzung zur männlichen hinzuzufügen, wie zum Beispiel ‚SchriftstellerInnen‘ oder ‚PensionistInnen‘ – das sogenannte Binnen-I. Diese beiden Varianten repräsentieren Frauen und Männer, lassen aber Menschen mit anderen Geschlechtern oder non-binäre Personen aus. Dafür gibt es Gender-Zeichen: hier wird zwischen männlicher Form und weiblicher Endung ein Zeichen gesetzt, das kann ein Sternchen, ein Unterstrich oder auch ein Doppelpunkt sein, wie zum Beispiel ‚Mitarbeiter*innen‘, ‚Läufer_innen‘ oder ‚Sänger:innen‘. Der Platzhalter steht demnach für alle, die sich mit einem anderen Geschlecht oder mit gar keinem identifizieren. Noch einfacher ist es natürlich, geschlechterneutrale Bezeichnungen zu finden. So kann man statt ‚Lehrerinnen und Lehrer‘ einfach ‚Lehrende‘ sagen, anstatt ‚Studentinnen und Studenten‘, Studierende‘ oder man ersetzt ‚Mädchen und Buben‘ durch ‚Kinder‘.
Und welche Auswirkungen hat das Gendern?
Wie schon angesprochen hat das Gendern einige Effekte auf uns und unsere Gesellschaft. Erstens werden Frauen und andere Geschlechter sichtbarer, denn dadurch werden alle Menschen sprachlich sowie gedanklich miteinbezogen und nicht nur Männer. Auf der anderen Seite kann sich eine geschlechtergerechte Sprache auch auf unsere Wahrnehmung und unser Bewusstsein auswirken. Ein gutes Beispiel ist da etwa die Berufswahl: wird in einer Stellenausschreibung lediglich das generische Maskulinum benutzt, wie zum Bespiel „Geschäftsführer gesucht“, fühlen sich laut Studien viel weniger Frauen angesprochen und für den Job qualifiziert. Sprache kann also auch beeinflussen, inwiefern man sich bestimmte Berufe zutraut, das zeigt vor allem eine Studie bei Kindern. Präsentiert man Kindern im Volksschulalter Berufe in geschlechtergerechter Sprache, trauen sich Mädchen eher zu, stereotypische Männerberufe in Betracht zu ziehen, wie zum Beispiel ‚Handwerkerinnen und Handwerker‘. Auch Buben entscheiden sich eher für stereotypische Frauenberufe, wenn gegendert wird, wie etwa ‚Geburtshelferinnen und Geburtshelfer‘. Das zeigt uns, dass auch Kinder durch die neutrale und gleichgestellte Sprache offener über Geschlechterrollen denken und Stereotypen ausblenden.
Dieses Video zeigt deutlich, wie sehr Geschlechterstereotype bei Kindern verankert sind:
Schon bei den Jüngsten ansetzen
Sprache beeinflusst uns und unsere Wahrnehmung also schon im Kindesalter. Aus diesem Grund ist es auch wichtig, schon bei den Jüngsten anzusetzen und früh mit der geschlechtergerechten Bewusstseinsbildung zu beginnen. Geschlechterbewusste Pädagogik wäre schon im Kindergarten- oder Volksschulalter notwendig, denn für Erwachsene, die ihr ganzes Leben lang nicht gegendert haben, ist es natürlich schwierig, sich auf einmal umzugewöhnen. Doch würden Kinder geschlechtergerechte Sprache von Anfang an lernen, hätten sie demnach weniger Schwierigkeiten damit. Außerdem wird man im Zuge des Genderns mit dem Thema Gleichberechtigung konfrontiert und es ist unwahrscheinlicher in Geschlechterrollen zu verfallen. Um Kindern das Gendern so gut wie möglich anzugewöhnen, wäre es jedoch wichtig, es auch außerhalb der Schule beizubehalten. Da geschlechtergerechte Sprache von vielen Menschen aber noch abgelehnt wird, könnte es beispielsweise schwieriger werden, dass das Gendern von Eltern, Großeltern oder anderen Bekannten fortgesetzt wird. Es braucht also nicht nur bei den Kindern ein Umdenken, sondern auf allen Ebenen und durch alle Generationen.
In diesem Video kann man deutlich sehen, wie Kinder von Sprache beeinflusst werden und welche Bilder dabei erzeugt werden:
https://www.youtube.com/watch?v=YZY3m5GfSxg&ab_channel=Deutschland3000
Und jetzt?
Natürlich wird es nicht von heute auf morgen möglich sein, die deutsche Sprache zu verändern und Gendern in den Fokus aller Menschen zu rücken. Sprache entwickelt sich langsam weiter und auch wenn die Wissenschaft die positiven Effekte untersuchen und Empfehlungen ableiten kann, entscheidet jede und jeder für sich selbst. Es ist aber wichtig, sich bewusst zu machen, welchen Einfluss Sprache und eben auch das Gendern auf uns alle haben kann. Für uns ist es nur wenig Aufwand nicht mehr nur männliche Formen zu nutzen und stattdessen geschlechtergerechte Sprache zu verwenden. Für die Gesellschaft sorgt es aber für mehr Sichtbarkeit, Bewusstsein und Gleichberechtigung und darum geht’s.
Quellen:
https://www.quarks.de/gesellschaft/psychologie/was-gendern-bringt-und-was-nicht/
https://www.kita-fachtex-te.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/FT_Rohrmann_OV.pdf
Autorin: Katharina Russold