Brennpunkt: Konsumverhalten – Nachlese zum Webinar II

 

Welche Auswirkungen hat unser tägliches Konsumverhalten auf den Klima- und Umweltschutz, die Gesundheit und Menschenrechte? Welche Handlungsspielräume gibt es und wie kann man sie bestmöglich nutzen, um eine gerechte und humanere Welt zu gewähren? Gibt es noch einen Weg aus dem Dilemma unserer Zeit, dass unser Lebensstil nicht mehr zukunftsfähig ist und letztlich die Ressourcenkapazitäten unseres Globus übersteigen? Konsum, Macht und Umwelt waren die Hauptthemen des Webinars „Grünes Licht für die Zukunft“ der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus und Hans Putzer. Er ist Referent für Menschenrechte, Religionsgemeinschaften und Bürger*innenbeteiligung im Büro des Grazer Bürgermeisters. Die Themen Nachhaltigkeit, Konsumverhalten und Umwelt liegen ihm besonders am Herzen, weshalb er unter anderem die Bücher „Essen macht Politik“ und „Hungerkriege“ verfasst hat.

 

Konsum ist nicht Privatsache

Wir Bürgerinnen und Bürger sollten umweltbewusst und nachhaltig leben, doch wie funktioniert das? Wie ist man ökologisch und das auf jeder Ebene? Ein exemplarisches Beispiel ist der Flugverkehr. Fliegen ist schlecht für die Umwelt, das weiß mittlerweile jedes Kind, doch würde man den Flughafen Graz schließen und den Flugverkehr stoppen, würde es uns zwar die Luft und Feinstaubbilanz danken, aber sicherlich nicht die Wirtschaft und die Bevölkerung – 1.000 Mitarbeiter*innen würden nämlich ihren Job verlieren. Das heißt: nachhaltig ist nicht gleich nachhaltig. An einer ökologischen Welt hängen viele Faktoren und nicht nur allein der Umweltschutz. Nun stellt sich die Frage, welche Handlungsspielräume gibt es eigentlich, wo können wir am meisten einsparen und wie kann unser Alltag zumindest ein kleines Stückchen nachhaltiger werden? Hans Putzer hat beim Webinar versucht, den Teilnehmer*innen das ökosystemische Denken näherzubringen. Sein „Crashkurs“ beinhaltete sieben Fragen, die jede*r für sich beantworten musste.

 

  • Was ist Ökologie?
  • Du hast die Wahl: Nerzmantel oder Webpelz?
  • Äpfel im Mai – Oststeiermark oder Südafrika?
  • Small is beautiful, isn’t it?
  • Wie viele Tiere werden jährlich weltweit für den menschlichen Verzehr geschlachtet?
  • Warum können 2,5 Milliarden Menschen unmöglich täglich einen Big Mac verspeisen?
  • Wie kommt der Hunger in die Welt?

 

Viele der Fragen scheinen leicht beantwortbar zu sein, zumindest auf emotionaler, ethischer oder persönlicher Ebene. Doch wenn man über den Tellerrand blickt und näher auf die Inhalte eingeht, ist es oft schwieriger als man denkt und man muss sich fragen, welche Folgen unsere Taten eigentlich haben. Im Zuge des Webinars wurden mögliche Antworten auf die oben genannten Fragen besprochen und neue Erkenntnisse präsentiert, die tiefe Einblicke in der verschiedenen Facetten unseres Konsumverhaltens ermöglichten. Es folgen nun eine Denkanstöße von Hans Putzer:

 

Bei der Frage nach Ökologie sind beispielsweise die sogenannten SDG’s wegweisend. Die 17 Nachhaltigkeitsziele darunter etwa „Kein Hunger“, „Geschlechtergleichheit“ und „Leben am Land“ sollten eigentlich selbstverständlich für jede*n sein, doch das sind sie nicht. Derzeit herrscht auf unserem Planeten ein Bild von Ökologie, das hauptsächlich aus dem Schutz des Klimas besteht. Und auch wenn es aktuell auf der Welt wahrscheinlich kein dringlicheres Thema gibt, ist Hans Putzer der Meinung, dass nicht alles was wir künftig machen, nur dem Klimaschutz dienen soll, wie viele Klimaaktivist*innen meinen. Man muss auch den wirtschaftlichen, sozialen oder etwa den kulturellen Aspekt bedenken, um faktenbasiert und möglichst breit alle Ziele zu verfolgen. Ein exemplarisches Beispiel dafür seien die Länder Pakistan und Sri Lanka. Noch vor 30 Jahren waren beide Länder gleich auf, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und die soziale Sicherheit betraf. Heute ist Sri Lanka Pakistan weit voraus. Nach validen Untersuchungen waren hier der demokratische Prozess, das Bildungssystem und die Geschlechtergleichheit ausschlaggebend.

Auch bei der Frage nach dem Nerzmantel oder Webpelz, würden sich viele für das Wohl der Tiere einsetzten und sich sofort für den Webpelz entscheiden. Vom Ökosystem aus betrachtet ist der Webpelz jedoch die schlechtere Alternative, da seine Grundlage Erdöl ist. Putzer erklärt: „Das zeigt, dass es nicht die einzig richtige oder einzig falsche Entscheidung gibt, sondern dass es auch sein kann, sich für keine der Alternativen zu entscheiden und in beide Richtungen bewusst zu denken.“

Lieber Äpfel im Mai aus der Oststeiermark oder Südafrika? Auch hier haben wir eine heikle Frage, die es zu überdenken gilt. Wahrscheinlich würden die meisten einen regionalen Apfel vorziehen, da er aus der heimischen Landwirtschaft kommt und einen viel kürzeren Transportweg hinter sich hat. Doch der höchste Energieverbrauch liegt nicht beim Transport. „Interessant ist es, wenn wir unseren durchschnittlichen Lebensmittelkonsum als ein Energiesystem verstehen und danach aufsplitten, von der Produktion bis hin zu dem Zeitpunkt, in dem ich meinen Teller in den Geschirrspüler einräume. Es liegt nämlich relativ viel Energieverbrauch bei uns.“ Der höchste Prozentanteil des Energie-Einsatzes liegt bei der Produktion mit 52%. 29% an Energie-Einsatz entstehen bei uns Konsument*innen selbst, 13% macht der Handel und die Distribution aus (4% davon der Transport) und die Verarbeitung 6%.

Zu der vierten Frage hat Hans Putzer nur eines zu sagen: „Small is beautiful ist für Romantiker, die nicht einsehen wollen, dass alle Menschen auf der Erde nicht die gleichen Chancen haben. Wir werden die Welt nicht retten mit vielen kleinen Strukturen, wir brauchen leistungsfähige, naturnahe Strukturen und das hat mit Größe nichts zu tun.“

Was haben Sie geschätzt? Wie viele Tiere werden jährlich weltweit für den menschlichen Verzehr geschlachtet? In Summe sind es rund 60 Milliarden Tiere pro Jahr oder anders gesagt, acht bis neun Tiere pro Erdenbewohner*in und Jahr. Umgerechnet sind das in einer Sekunde ca. 1.900 bis 2.000 Tiere. In weniger als einer Stunde wären demnach alle steirischen Nutztiere weg.

Und warum können 2,5 Milliarden Menschen unmöglich täglich einen Big Mac verspeisen? Um Burger für so viele Menschen zu produzieren, würde man eine bestimmte Menge an Rindfleisch benötigen. Für eine bestimmte Menge an Rindfleisch bräuchte man eine bestimmte Menge an Futtermittel, um die Rinder zu ernähren. Um aber diese bestimmte Menge an Futtermittel zu erzeugen, reicht die Fläche unseres Globus nicht aus. Hans Putzer deckt auch die enttäuschende Wahrheit auf: der*die durchschnittliche mitteleuropäische Fleischkonsument*in esse täglich mehr Fleisch, als nur jenes im Big Mac. Das heißt, würden alle Menschen auf der Welt so leben, wie wir leben, bräuchten wir zusätzlich auch am Mars Anbauflächen. „Die Fleischproduktion ist organisierte Energievernichtung. Die Fleischproduktion ist organisierte Bodenverschwendung.“

Wie kommt der Hunger in die Welt? Der Soziologe Jean Ziegler ist der Meinung, dass die weltweite Lebensmittelproduktion in der Lage wäre rund 12 Milliarden Menschen zu ernähren. Doch gäbe es derzeit keine*n Wissenschaftler*in der*die davon ausgeht, dass diese Zahl jemals oder in den nächsten 100 Jahren erreicht werden kann. Unser Problem ist, dass von der gesamten Weltbevölkerung rund eine Milliarde Menschen an Hungernot leiden und das, obwohl wir angeblich 12 Milliarden ernähren könnten. Woran liegt das? 30 bis 50% Prozent der Nahrung werden schlecht, gehen verloren oder kommen gar nicht am Tisch der Menschen an. Es bleiben also Lebensmittel für rund neun Milliarden über. Rund 3/5 davon essen wir in Wohlstandsgegenden nicht selbst, sondern verfüttern es an Tiere. Davon bleiben schließlich nur noch Lebensmittel für vier Milliarden Menschen über. „Das geht sich alles nicht mehr aus. Die gute Nachricht ist zwar, dass nur rund eine Milliarde Menschen nach dieser Rechnung leben, doch wir haben drei große Probleme: wir essen zu viel Fleisch, wir vernichten zu viele Lebensmittel und wir haben eine Wirtschaftsordnung, die uns nicht hilft eigenverantwortlich mit unserem Konsum besser umzugehen und ähnliches zu haben“, so Hans Putzer.

 

Das Problem mit dem Fleisch

Fleischkonsum, Lebensmittelvernichtung und unsere Wirtschaftsordnung sind also Probleme, die es zu lösen gilt. Doch wie können wir mithelfen? Ganz klar, wir sollten unsere Ernährung überdenken. Auf der einen Seite sind die Erfolge gegen die Bekämpfung des Hungers beeindruckend, trotzdem steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln, besonders nach tierischen. Im Durchschnitt essen Österreicher*innen 65 Kilo Fleisch pro Jahr und wir haben sogar den siebent höchsten Fleischkonsum der Welt. Abgesehen vom Tierwohl, hat die Fleischesserei aber auch umweltschädliche Folgen. CO2 wird größtenteils durchs Essen erzeugt. Derzeit machen in Österreich 12,5 Millionen Tonnen CO2 unsere Ernährung aus, wovon 89% durch Fleisch und tierische Produkte entstehen. Würden wir uns alle vegetarisch ernähren, könnte man 10 Millionen Tonnen einsparen, weil nur mehr 2 Millionen CO2 durch die Ernährung erzeugt werden würden. Ökologisch gesehen, ist der Fleischkonsum sogar um einiges schlimmer als das Autofahren. Eine Kuh emittiert so viel Methan wie im Äquivalent ein Auto, das jährlich 18.000 Kilometer hinter sich bringt, CO2 emittiert. Oder anders gesagt: man kann für ein Kilo Rindfleisch 111 Kilometer Autofahren.

Vergleicht man die Bilanz der Treibhausgase in Österreich mit der globalen, fällt auf den ersten Blick ein großer Unterschied auf: weltweit werden 25% der Treibhausgase in der Landwirtschaft emittiert, in Österreich sind es lediglich 9%. Glauben schenken darf man diesen Zahlen aber nicht: „Das ist schlicht und einfach falsch, denn wenn ich einen Großteil der Futtermittel woanders herhole, übertrage ich die Bilanz dort hin. Problematisch am Futtermittel ist nämlich nicht der Transport, sondern die Düngeraufbringung, die Bodenzerstörung und und und. Das heißt, ich kann leicht in Österreich nur mehr 9% CO2 emittieren und es wird sogar noch weniger, wenn ich all das, was für den ökologischen Fußabdruck problematisch ist, ausgelagert habe.“ Würden wir in Österreich nur das Fleisch essen, das von Tieren kommt, die Futtermittel von österreichischen Anbauflächen bekommen, hätten wir viel weniger Fleisch als jetzt. „Wir lassen unsere Tiere aber größtenteils über Lateinamerika weiden, wir importieren jährlich 600.000 Tonnen Futtermittel aus Lateinamerika. Hauptsächlich Soja, teilweise sogar gentechnisch verändert“, sagt Putzer.

Mit der Elektromobilität ist es beispielsweise dasselbe. Wenn wir in Graz nur noch Elektroautos hätten und keine fossilbetrieben Fahrzeuge, dann hätten wir eine sensationelle CO2-Bilanz, denn es gibt keine Emissionen mehr. Was jedoch wieder problematisch ist, ist die Produktion und Gewinnung der Rohstoffe, die wir ausgelagert haben. Somit haben wir eine bessere Bilanz hier in Österreich, aber nicht international.

 

Und was jetzt?

Aber was passiert nun mit unserem Konsumverhalten und vor allem mit der Fleischesserei? Was gibt es für Alternativen? Hans Putzer hat einige Vorschläge, denn wir können nicht so weitermachen und Unmengen an Fleisch essen. Möglich wäre es, entweder viel Fleisch für relativ wenige, wenig Fleisch für viele anzubieten oder natürlich ganz darauf zu verzichten. Alternativ wäre auch beispielsweise der Umstieg auf Insekten. Die kleine Tierchen brauchen weniger Futtermittel, weniger Wasser und weniger Fläche. Der CO2 Output liegt bei Rindfleisch zu Insekt 9:1. Mittlerweile gibt es auch Fleisch, das aus Stammzellen produziert wird, sozusagen Fleisch aus dem Labor. Technisch, biologisch, chemisch ist man heute so weit, Fleisch von Hühnern, Schweinen und Rindern herzustellen, ohne Tiere dafür töten zu müssen. Leistbar ist es jedoch noch nicht und es ist fraglich, ob sich diese Möglichkeit in Zukunft noch durchsetzen wird.

Wie anfangs erwähnt ist unser Konsumverhalten keine Privatsache. Unsere Entscheidung, was in den Einkaufswagen und schließlich auf den Teller kommt, betrifft die ganze Welt. Es gibt bereits Möglichkeiten ökologisch und nachhaltig zu leben, wichtig ist es nur, den ersten Schritt zu machen, denn: „Ich allein kann nichts ändern… sagen 7 Milliarden Menschen.“

 

 

Hans Putzer ist Referent für Menschenrechte, Religionsgemeinschaften und BürgerInnenbeteiligung im Büro des Grazer Bürgermeisters Mag. Siegfried Nagl. Er verfasste unter anderem die beiden im Leykam-Verlag erschienenen Bücher „Essen macht Politik“ und „Hungerkriege“ und initiierte in Zusammenarbeit mit ARGE Jugend- Obmann Mag. Christian Ehetreiber die Reihe „Konsum. Macht. Menschenrechte“.

 

 

Bild: pixabay.com

Autorin: Katharina Russold