Stimmiges Miteinander

Konzepte, Tools und Methoden für Teambuilding, gewaltfreie Kommunikation und gelingende soziale Interaktionen

Wie entsteht ein „Wir“-Gefühl in einer Schulklasse? Welche sozialen Kompetenzen braucht es für Denken im Miteinander und Handeln in Kooperation? Was macht erfolgreiche Teamarbeit aus? Und wie kann man mit gewaltfreier Kommunikation Konflikte vermeiden und entschärfen? Unser tägliches Miteinander – sei es im Freundes- und Familienkreis, im schulischen Umfeld, am Arbeitsplatz oder in der Clique – bringt vielfältige Herausforderungen mit sich. Und manchmal auch Unstimmigkeiten. Wie wir unsere sozialen Interaktionen in ein „stimmiges Miteinander“ verwandeln können vermitteln Konzepte aus der Sozialwissenschaft ebenso wie nützliche Tools und Methoden aus der Praxis. Mit unserem heutigen Blog möchten wir eine Auswahl vorstellen, die sich im Alltag einfach und effektiv anwenden lässt.

 

Soziale Kompetenzen als Fundament gelingender Beziehungen

Abb 1.

Soziale Kompetenzen sind sämtliche Fähigkeiten einer Person, die dazu dienen, in der sozialen Umwelt selbstständig zu handeln – so die Definition für Sozialkompetenzen im deutschen Rechtschreibwörterbuch Duden. Neben jenen Fähigkeiten, die vorwiegend mit Teamarbeit im beruflichen Kontext assoziiert sind, wie etwa Teamfähigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Konflikt- und Kritikfähigkeit zählen auch viele mit Sympathieträgerschaft und Privatbeziehungen konnotierte Eigenschaften wie Empathiefähigkeit, Hilfsbereitschaft oder die Fähigkeit, gut zuhören zu können zu den sozialen Kompetenzen eines Menschen. Zudem sind es auch jene Denk- und Verhaltensweisen organisatorisch-leistungsbezogener Natur wie Leistungsbereitschaft, Durchhaltewillen, Selbstorganisation und Zuverlässigkeit, die in Stellenausschreibungen oft als grundlegende „social skills“ angeführt werden und die für unsere persönliche Entwicklung und Lebensführung förderlich sind. Nicht zuletzt und allgemein sind soziale Kompetenzen in sämtlichen beruflichen wie auch privaten Lebensbereichen essentiell, sind sie doch maßgeblich dafür, unsere Interaktionen mit anderen Menschen im Miteinander angenehm, sinnvoll und gesund – einfach „stimmig“ – gestalten zu können. Mit anderen Worten: soziale Kompetenzen sind das Fundament gelingender Beziehungen.

 

Einfach anwendbare Tools und Methoden zur Stärkung des „Wir-Gefühls“

Abb 2.

Besonders wichtig sind soziale Kompetenzen in der Bildung von sowie in der Zusammenarbeit in einem Team. Ein erfolgreiches Teambuilding – die Bildung eines „Wir-Gefühls“ in einem Team – steht hierbei an erster Stelle und kann durch gemeinsame Arbeiten und Aktivitäten (Beispiel: Umsetzung eines Projektes), durch Miteinander-Reden (Beispiel: moderierte Diskussion bei einer Klausur) sowie durch Spiele und Übungen mit Aha-Effekten und humoristischen Elementen  (z.B. Kennenlernspiele, teambuilding games) angeregt, aufgebaut und verstärkt werden. Im folgenden werden vier beliebte und bewährte Tools und Methoden angeleitet:

 

 

  1. Gemeinsame Werte (Gespräch & gemeinsame Aktivität)

Jede teilnehmende Person bekommt zwei Minuten, in denen sie subjektiv drei Werte für sich aufschreibt (Beispiele: Hilfsbereitschaft, Zuverlässigkeit, Höflichkeit). Sodann werden alle TeilnehmerInnen in mehrere gleich große Teams eingeteilt. Die Teammitglieder haben hier die Gelegenheit, sich über alle aufgeschriebenen Werte zu unterhalten und die drei wichtigsten gemeinsamen Werte für das Team aufzuschreiben. Anschließend gestaltet jedes Team ein Blatt oder Plakat mit Wörtern, Symbolen oder Bildern, die diese Werte darstellen. Zum Schluss stellt jedes Team sein Ergebnis den anderen Teams vor.

 

  1. Der Coutdown (1-20) (Methode zum Aufeinander-einstimmen einer Gruppe)

Alle Personen bewegen sich langsam im Raum und zählen von 1 – 20. Wobei: jede Zahl darf immer nur von einer Person und nicht von zwei oder mehr Personen gleichzeitig ausgerufen werden. Sobald etwa die Zahl „11“ von zwei Personen gerufen wird, beginnt das Zählen wieder bei 1. Ziel: Die Zahlen von 1 – 20 werden nur von Einzelpersonen ausgerufen.

 

3a. Gordischer Knoten (Aktivität mit Spiel & Spaß-Faktor)

Alle TeilnehmerInnen stellen sich mit geschlossenen Augen im Kreis auf und jede Hand sucht sich eine andere Hand. Der so entstandene „Gordische Knoten“ muss anschließend gemeinsam gelöst werden, ohne dass die Hände losgelassen werden.

 

3b. Teppich umdrehen (Aktivität mit Spiel & Spaß-Faktor)

Hier sind Geschick und Gruppendynamik gefragt! Alle Mitglieder stehen auf einem Teppich, der nun komplett umgedreht werden muss. Aber: beim Umdrehen darf keine Person den Boden berühren oder auf andere Gegenstände ausweichen.

 

  1. Gemeinsamkeiten finden (Übung zum Veranschaulichen von Miteinander in Vielfalt)

Bei dieser Aufgabe stellt der/die Workshopleiter/in Fragen, die von allen Teilnehmer/innen beantwortet werden sollen. Beispiele: „Wer hat ein Haustier?“,Wer isst gerne Pizza?“,Wer hört gerne klassische Musik?“. Wer Gemeinsamkeiten hat, nimmt sich an der Hand. Auf diese Weise entsteht ein schönes „Spinnennetz“ aus vielen Teilnehmer/innen mit ihren Gemeinsamkeiten.

 

Sozialwissenschaftliche Theorien und Konzepte für Teambuilding und Kommunikation

Abb 3.

In den Sozialwissenschaften bestehen zahlreiche Theorien und Konzepte zu Sozialkompetenzen, Teambuilding, Kommunikationsstilen, Konfliktmanagement und verwandten Themenfeldern. Folgende drei Konzepte sollten insbesondere all jene Personen, die im Sozial-, Bildungs- und Jugendbereich arbeiten, zumindest einmal gehört oder gelesen haben.

 

  1. Phasenmodell der Teamentwicklung von Bruce Tuckman

Das Phasenmodell der Teamentwicklung, das der US-amerikanische Psychologe Bruce Tuckman im Jahr 1965 konzipiert hat, beschreibt vier aufeinander folgende Entwicklungsschritte für Gruppen: Forming, Storming, Norming und Performing. Im Jahr 1977 wurde das Modell um eine fünfte Phase  – Adjourning – ergänzt.

 

1.Forming – die Einstiegs- und Findungsphase (Kontakt)

Die erste Phase einer Teamentwicklung ist allgemein von Unsicherheit geprägt. Hier geht es zunächst darum, dass sich die Teammitglieder miteinander bekannt machen und ihre Zugehörigkeit zur Gruppe absichern. Erste Ziele und Regeln werden definiert und die Gruppe wendet sich langsam der Aufgabe zu, wobei die Beziehungen der Teammitglieder untereinander noch unklar sind.

2.Storming – die Auseinandersetzungs- und Streitphase (Konflikt)

In der zweiten Phase, dem Storming, kommt es häufig zu Unstimmigkeiten über Prioritätensetzungen wenn die Teammitglieder verschiedene Ziele verfolgen. Es können Machtkämpfe um die Führungsrolle und den Status in der Gruppe auftreten und Spannungen zwischen den Teammitgliedern entstehen. In dieser Phase sind die Beziehungen eher konfliktbeladen, doch erfolgen bereits erste Abstimmungen in der Teamzusammenarbeit.

3.Norming – die Regelungs- und Übereinkommensphase (Kontrakt)

In der Phase des Norming werden Normen und Regeln entwickelt und abgesichert. Die Teammitglieder haben nun ihre Rollen gefunden und es wird verstärkt kooperiert. Die Beziehungen sind harmonischer, die gegenseitige Akzeptanz steigt und das Team wendet sich verstärkt seiner Aufgabe zu.

4.Performing – die Arbeits- und Leistungsphase (Kooperation)

In der Phase Performing pendelt sich die Leistung der Teammitglieder auf einer gleichbleibenden Ebene ein. Das Team handelt geschlossen und orientiert sich an einem gemeinsamen Ziel. Es herrscht eine Atmosphäre von Anerkennung, Akzeptanz und Wertschätzung. Die Teammitglieder arbeiten erfolgreich zusammen, gehen offen und kooperativ miteinander um.

5.Adjourning – die Auflösungsphase

Die fünfte Phase, Adjourning, bezieht sich auf die Gruppen, die längerfristig zusammenarbeiten, doch nach Abschluss eines konkreten Auftrags getrennte Wege gehen – etwa Mitglieder eines Projektteams für ein zeitlich befristetes Projekt. Diese Phase ist häufig von Unsicherheit in Hinblick auf die Zeit nach der Arbeit im Team geprägt. In diesen Fällen ist eine abschließende Dokumentation über die Arbeit des Teams empfehlenswert, die zukünftigen Teams zu einem späteren Zeitpunkt bei allfälligen Fehlerbehebungen sowie am Beginn neuer Aufgaben hilft.

 

Literatur: Tuckman, B. W. (1965). Developmental sequences in small groups. Psychological Bulletin, 63, 348- 399.

 

2.GRIP-Modell der Teamarbeit von Richard Beckhard

Das GRIP-Modell von Richard Beckhard (1972) ist ein Prozessmodell und beschreibt vier Grundpfeiler für erfolgreiche Teamarbeit. Das Akronym „GRIP“ steht für folgende Begriffe:

G: Goals (Ziele)

R: Roles (Rollen und Verantwortlichkeiten)

I: Interactions (Normen, Werte, Umgangsregeln)

P: Process (Arbeits- und Kommunikationsprozesse)

Anhand dieser vier Faktoren können Teammitglieder lernen, ein „Wir“-Gefühl zu entwickeln sowie als Einheit zu denken und zu agieren. Was wollen wir gemeinsam erreichen? Was muss jeder Einzelne dafür beitragen? (goals) Wer kommuniziert was „nach oben“? (roles) Wer übernimmt die Verantwortung für welche Aufgaben? (process)  Welche Spielregeln brauchen wir, damit sich jeder im Team wohlfühlt? (interaction). Die gemeinsame Beantwortung dieser Fragen erzeugt erste teambildende Wirkung. Zu deren nachhaltiger Verankerung bietet es sich an, eine Checkliste mit Fragen und Antworten zu erstellen und die Ergebnisse als „Standard für erfolgreiche Teamarbeit“ festzuhalten.

Literatur: Beckhard, R. (1972). Optimizing Team Building Effort. Journal of Contemporary Business, 1(3), 23–32

 

  1. Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall Rosenberg

Das Prinzip der Gewaltfreien Kommunikation von Marshall Rosenberg ist eine Gesprächsstrategie beziehungsweise ein Kommunikationsstil, der auf Wertschätzung zwischen Menschen setzt und der als Methode in Teams eingesetzt wird, um Kommunikationsprobleme zu entschärfen und neue Wege der Kommunikation zu öffnen. Hierbei werden sachlich-konstruktive Kommunikationsregeln im Team aufgestellt, durch die sich nach einer Auseinandersetzung niemand angegriffen fühlen muss – mit dem Ziel, dass die alltägliche Kommunikation im Team empathischer, respektvoller und fairer wird und dass Problemsituationen schneller und effektiver gelöst werden können.

 

Literatur: Rosenberg, M.B. (2016). Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Junfermann Verlag Paderborn, 2016

 

Praxishandbücher für ProfessionistInnen des Sozial-, Bildungs- und Jugendbereichs

Abb 4.

1.Sozialmanagement: Teamarbeit und Teamentwicklung in sozialen Berufen (2012), Raimund Erger

Dieses Standardwerk enthält Grundlagen von Teamarbeit, Teamkommunikation und Teamentwicklung sowie Anleitungen für praxisbezogene Übungen und Methoden.

 

2.Gruppendynamische Übungen und Spiele: Ein Praxishandbuch für Aus- und Weiterbildung sowie Supervision (2008), Helmar Dießner

Dieses kompakte Praxishandbuch beinhaltet eine gute Auswahl an kreativen und spielerischen Interaktionsübungen zur Auseinandersetzung mit Konflikten, Rollen, Leistungsstilen, Selbst- und Fremdwahrnehmung.

 

3.Gruppenaufgaben: Gruppendynamische Spiele zur Förderung von Kooperation, Kommunikation, Teamwork und für eine bessere Zusammenarbeit in der Kinder- und Jugendarbeit (2012), Christian Mehler

Diese Literatur beschreibt Gruppenaufgaben und Gruppenspiele, bei denen die Gesamtgruppe kommunikativ und kooperativ tätig werden muss. Im Zuge der Spiele können gruppendynamische Effekte, Kommunikationsformen und Handlungen beobachtet und im Anschluss gemeinsam reflektiert werden. Die Aufgabenbeschreibungen umfassen mehrere Variationen, so dass man die Schwierigkeit der Aufgaben an die Fähigkeiten und die Erfahrungen der Kinder und Jugendliche anpassen kann.

Bildquellen:

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/teamgeist-zusammenhalt-gemeinsam-2447163/ (abgerufen am 17.06.2020)

Abb 1.: https://pixabay.com/de/photos/verbinden-verbindung-zusammenarbeit-20333/ (abgerufen am 17.06.2020)

Abb 2.: https://pixabay.com/de/photos/gl%C3%BCck-vergn%C3%BCgen-spa%C3%9F-sommer-2900606/ (abgerufen am 17.06.2020)

Abb 3.: https://pixabay.com/de/photos/konzept-mann-papiere-person-planen-1868728/ (abgerufen am 17.06.2020)

Abb 4.: https://pixabay.com/de/photos/telefon-mobil-smartphone-leere-1052023/ (abgerufen am 17.06.2020)

Text: Martina Weixler