Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen

Veränderung als Chance erleben – man kann ja nie wissen, was noch kommt…

Abb 1.

Kein Titel scheint für den folgenden Blog treffender zu sein als das Zitat des antiken griechischen Universalgelehrten Aristoteles. „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel richtig setzen“ benennt punktgenau das heutige Thema: Veränderung als Chance erleben. Gerade in Zeiten großer historischer Umbrüche, globaler Veränderungen in Arbeitswelt, Wirtschaft und Gemeinwesen sowie in kollektiven wie auch individuellen Situationen der Unsicherheit, wie es weitergehen soll, steigt oftmals das negativ konnotierte Wort „Veränderung“ in den Köpfen am Scheideweg stehender Menschen auf. Begleitet von beengendem Druck, nasskaltem Frösteln und bleierner Schwere. Vom burnoutbedingten Jobwechsel mit Mitte 50 über den Tod eines geliebten Menschen, vom Arbeitsplatzverlust aufgrund von Corona bis hin zum die Alltagsroutine komplett über den Haufen werfenden Aussteigerplan, weil es „das noch nicht gewesen sein kann“ – das Leben steckt voller unerwarteter Wendungen, ungeahnter Möglichkeiten, kleiner und großer Veränderungen. Um diese mit positivem Vorzeichen versehen und als Chancen wahrzunehmen zu können, braucht es vor allem dreierlei: Zeit des „In-sich-gehens“, um für sich selbst herauszufinden, was man im Leben wirklich braucht und erreichen möchte. Zuversicht, dass Veränderungen einen Sinn haben und dass man als „Schmied seines eigenen Glücks“ Handlungsspielräume konstruktiv nutzen kann. Und aktives Handeln, um die „Segel im Wind der Veränderung“ für den eigenen Weg richtig zu setzen.

 

Wie wirkt die Abkehr von Gewohntem in uns?

Abb 2.

Wir Menschen sind Gewohnheitstiere, unser Verhalten wird zu einem Großteil durch gelerntes, gewohntes und bewährtes gesteuert. „Eine ungewollte und unerwartete Abkehr von Gewohntem erleben wir in der Regel immer als Verunsicherung oder gar Bedrohung“ so die deutsche Psychotherapeutin und Autorin Dr. Doris Wolf, die unter anderem auf Veränderungsbewältigung spezialisiert ist. „Und das Erleben von Verunsicherung führt naturgemäß zu negativen Gefühlen wie Angst, Wut oder Trauer.

 

Die vier Phasen der Veränderung

Abb 3.

In der persönlichen Veränderungsbewältigung lassen sich die Phasen der Anpassung an eine neue Situation als Prozess in vier Phasen gliedern. Die Phase des Nicht-Wahrhaben-Wollens, jene Zeit, in der wir versuchen, die Veränderung zu vermeiden oder rückgängig zu machen. Darauf folgt die Phase der aufbrechenden Gefühle, die Zeit, in der uns die Veränderung und ihre möglichen Auswirkungen bewusst werden, was unterschiedliche psychische und physische Reaktionen auslöst. In dieser Phase hadern wir mit unserem Schicksal und werfen Fragen wie etwa „Warum passiert mir das?“ oder „Wie soll es weitergehen?“ auf. Erst in der dritten Etappe – der Phase der Neuorientierung – fühlen wir uns hoffnungsvoller, können erste positive Aspekte und potentielle Handlungsspielräume erkennen und Antworten finden. Es ist die Zeit, in der wir uns mit der neuen Situation zu arrangieren beginnen, auf emotionaler und kognitiver Ebene. In der schließlich einsetzenden Phase des neuen Gleichgewichts wird unser Blick in die Zukunft gerichtet und arrangieren wir uns auf Verhaltensebene – hier kommen wir in´s Tun. „Diese vier Phasen werden wir immer durchlaufen müssen, wenn wir aus einer gewohnten Situation ausbrechen“, so Wolf. „Deshalb ist es sinnvoll, die entsprechenden Gefühlsreaktionen anzunehmen und damit zu arbeiten.“

 

Sechs farbenfrohe Bausteine zum Umgang mit neuen Situationen

Abb 4.

 

  1. „Weinen, schreien, toben“ – negative Gefühle annehmen

Dass wir auf unerwünschte und unerwartete Veränderungen zunächst mit negativen Gefühlen reagieren ist normal. Diese Emotionen erfüllen eine natürliche Warnfunktion, zeigen uns, dass etwas nicht nach unseren Vorstellungen läuft und dass Wachsamkeit gefordert ist. Um die Veränderung zu bewerten, mögliche Rückgänge des Geschehenen einzuleiten oder sich auf die anbahnende neue Situation einzustellen, ist es notwendig und sinnvoll, alle aufkommenden Gefühle – Angst, Zweifel, Trauer, Wut und ähnliches – anzunehmen, auszudrücken und mit ihnen zu arbeiten.

 

  1. Mutschöpfungs-Liste schreiben“ – Mut aufbringen

Mut steht am Anfang des Handelns, Glück am Ende“ – um es mit den Worten des Philosophen Demokrit zu formulieren. Mut gilt als Initialzündung für das Erkennen der eigenen Handlungsspielräume sowie für das In-Gang-bringen konstruktiver Aktionen zur Lenkung der Veränderung in eine positive Richtung. Zum Erwecken des eigenen Mutes empfiehlt sich etwa das Aufschreiben von Situationen der Vergangenheit, die negativ waren und die man positiv bewältigen konnte (Beispiel: „als ich meinen letzten Job verloren hab, konnte ich wieder einen neuen finden“), von sinnvollen Wirkungen, die bisherige Veränderungen schlussendlich entfacht haben (Beispiel: „durch den Verlust meines alten Jobs, hab ich jetzt einen neuen mit besseren Arbeitsbedingungen, netteren KollegInnen und höherem Gehalt) oder von „Das-hätte-ich-nie-für möglich-gehalten“-Erlebnissen, also von guten Lebensereignissen, die sich durch plötzliche, zufällige und glückliche Fügungen ergeben haben und die man niemals erwartet hätte. Die aus diesen Niederschriften entstehende „Mutschöpfungs-Liste“ kann dazu dienen, Zuversicht, Optimismus und vor allem Mut in sich selbst neu aufzubauen und wieder zu erwecken.

 

  1. Versüßende Aufmunterungen gönnen“ – Veränderung braucht mildernde Umstände

In einer Zeit, in der eine Veränderung auf uns zukommt, dürfen und sollen wir uns mildernde Umstände geben. Sprich: sich selbst keine Perfektion abverlangen, keine neuen Aufgaben verordnen, Verpflichtungen auf das Notwendigste reduzieren, Körper und Geist gut behandeln und sich bewusst ein paar „versüßende Aufmunterungen“ gönnen. Ein Beispiel: für Naschkatzen bietet es sich gerade in Zeiten der Veränderung an, allfällige Diätpläne vorübergehend zu lockern und sich einmal pro Woche ein gutes Stück Torte in der Konditorei zu kaufen und beim Freitagnachmittag-Kaffee genüsslich zu verspeisen. Ein derartiges Ritual kann Sorgen und Ängste zumindest kurzzeitig verblassen und kraftgebende Emotionen aufkeimen lassen.

 

  1. Veränderung aus mehreren Perspektiven beleuchten“ – Gespräche mit anderen führen

Fast alle Probleme, mit denen wir im Laufe unseres Lebens konfrontiert werden, hat die Welt schon mehrmals und in unterschiedlichen Variationen gesehen. Womöglich hat ein guter Freund, eine Tante, ein Nachbar oder eine Arbeitskollegin eine ähnliche Veränderung wie die unsere erlebt und nun ein paar gute Ratschläge parat. Oder die Person erweist sich als einfühlsame Zuhörerin. Vor diesem Hintergrund kann es hilfreich sein, Gespräche mit anderen zum Thema der eigenen Veränderung zu führen. Und wer ergänzend oder vorrangig auf fachkundige Unterstützung setzen möchte, kann dabei jedenfalls auf BeraterInnen, Coaches und TherapeutInnen zurückgreifen.

 

  1. „Step-by-step-Vorgehen“ – das Prinzip der kleinen Schritte ist gefragt

Das Betrachten einer Herausforderung in ihrer endlos scheinenden Gesamtfülle kann lähmend und bedrohlich wirken, der Blick auf ihre Einzelteile hingegen mildernd. Zudem lassen sich kleine Aufgaben oftmals leichter und besser bewältigen, was Erfolgserlebnisse mit Antriebswirkung bringt. So empfiehlt sich in Ausnahmezuständen ein „Step-by-step“-Vorgehen: mit Strukturierung der Veränderung und all ihrer Ausläufer in kleine überschaubare Teilschritte, mit kurzfristiger Planung (ein Tag, eine Woche, 10 Tage) und Checklisten, auf denen bereits Erledigtes sichtbar abgehakt werden kann. In Kombination mit Baustein 3 lässt sich das erfolgreiche Abhaken eines Checklisten-To-do´s auch gut mit kleinen Versüßungen belohnen.

 

  1. „Motto für die Veränderung finden“ – die Kraft der Gedanken nützen

Wir kennen es alle: viele Veränderungen, die im ersten Moment negativ zu sein schienen, haben sich rückblickend als etwas Gutes entpuppt. Dies erkennt man naturgemäß erst zu einem späteren Zeitpunkt, zu dem die Krisenstimmung längst überwunden ist. Warum also nicht gedanklich vorgreifen? Mit Schlagworten und Leitsätzen wie „Karriereneustart“, „frischer Wind für´s Familienglück“ oder „Aufbruch in den neuen Lebensabschnitt“ lassen sich kreative und optimistisch stimmende Mottos für jede Veränderung finden. Diese dürfen dabei ruhig weitläufig, mystisch und verheißungsvoll anmuten: man kann ja nie wissen, was noch kommt…

Bildquellen:

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/meer-ozean-wasser-wellen-natur-2561397/ (abgerufen am 20.05.2020)

Abb 1.: https://pixabay.com/de/photos/ver%C3%A4nderung-neuanfang-wechsel-3256329/ (abgerufen am 20.05.2020)

Abb 2.: https://pixabay.com/de/illustrations/liebe-wut-trauer-hass-entkommen-2055960/ (abgerufen am 20.05.2020)

Abb 3.: https://pixabay.com/de/photos/seifenblase-bunt-seifenwasser-1949897/ (abgerufen am 20.05.2020)

Abb 4.: https://pixabay.com/de/photos/steine-meer-rund-kieselsteine-1372677/ (abgerufen am 20.05.2020)

Text: Martina Weixler