Internationale Schulpartnerschaften – „Zur Förderung von weltoffenen, reflektierten Persönlichkeiten“

Internationale Schulpartnerschaften bringen eine Vielfalt an Chancen und Bereicherungen mit sich. Ein zentraler Aspekt internationaler Schulpartnerschaften ist der Austausch zwischen Schulen, SchülerInnen und LehrerInnen – wie es auch im ARGE Jugend Projekt „Wir sind Region“ Jahr für Jahr gelebt wird – nur das der Austausch dort im regionalen Rahmen passiert. Wie also gehen internationale Schulpartnerschaften vor sich, inwiefern profitieren Schulen davon und welche Möglichkeiten bringen sie mit sich? Die Schulleitungen der VS Schönau Graz, der MS/BG/BRG Klusemannstraße Graz und des Herta Reich BG/BRG Mürzzuschlag berichten über ihre internationalen Schulpartnerschaften.

Was sind internationale Schulpartnerschaften?


Abb. 1

Internationale Schulpartnerschaften sind Projektgemeinschaften von zwei oder mehreren Schulen aus verschiedenen Ländern, die durch unterschiedlichste Aktivitäten grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Austausch zwischen Schulen, SchülerInnen und Lehrerkräften forcieren. Die Aktivitäten reichen von gemeinsamen Unterrichtsprojekten über gegenseitige Besuche von Schulklassen und Lehrpersonen bis hin zu Brief- und Internetkontakt zwischen den SchülerInnen und Kooperationen auf Ebene der LehrerInnen und Schulleitungen. Zielsetzungen betreffen unter anderem die Internationalisierung der eigenen Schule, die Verbesserung von Fremdsprachenkenntnissen und die Förderung interkultureller, sozialer, persönlicher, methodischer und fachlicher Kompetenzen.

Viele steirische Schulen verschiedener Schultypen haben internationale Partnerschaften, entweder aus Eigeninitiative oder unterstützt durch Erasmus+. Die ARGE Jugend war mit drei steirischen Schulen im Gespräch, die ein Bild davon vermitteln, welche Formen internationale Schulpartnerschaften annehmen können und welchen Beitrag sie im Schulalltag, auf Schulentwicklungsebene und in der Förderung der SchülerInnen leisten. Frau Direktorin Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd von der Volksschule Schönau Graz, Herr Direktor Prof. Mag. Heimo Hirschmann vom Herta Reich BG/BRG Mürzzuschlag und Herr Direktor MMag. Klaus Tasch von der MS/BG/BRG Klusemannstraße Graz teilen ihre Erfahrungen.

 

Wie ist Ihre internationale Schulpartnerschaft entstanden?

Eine Schulpartnerschaft mit Geschichte:

Mag. Heimo Hirschmann: „Unsere Schulpartnerschaft mit dem Pierre de Coubertin Gymnasium in Piestany, Slowakei entstand vor über 30 Jahren, noch vor dem Fall des Eisernen Vorhangs. 1988 fand ein internationales Peter-Rosegger-Treffen in Athen statt und dort lernte einer meiner Kollegen die Partnerschule kennen. Unsere Schulen ergriffen die Chance, eine Partnerschaft zu initiieren. Damals, müssen Sie wissen, hatten Schulpartnerschaften eine sehr große Bedeutung, da sie eine der einzigen Möglichkeiten boten, von Ost- nach Westeuropa zu reisen. Auch wenn mittlerweile Reisefreiheit in der EU herrscht, besteht unsere Schulpartnerschaft seit 30 Jahren.“

Geförderte Schulpartnerschaft im Sinne der internationalen Zusammenarbeit:

Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd: „Unser Projekt läuft unter dem Namen ‚Graz trifft Maribor – Maribor trifft Graz‘ und entspringt der Zusammenarbeit des Joint Committee der Landesregierung Steiermark und der slowenischen Regierung zwischen ‚Štajerska‘, also Slowenien, und der Steiermark. Ziel des Landes Steiermark ist es, auch auf Bildungsebene enger mit Slowenien zusammenzuarbeiten. Vor 3 Jahren fand deshalb eine Kennenlernveranstaltung mit Lehrkräften aus verschiedenen slowenischen und steirischen Schulen statt, wo unsere Schule beschloss, mit der Osnova šola ‚Toneta Čufarja‘ in Maribor einen Erasmusantrag für eine Schulpartnerschaft zu beantragen. Erfreulicherweise wurde der Antrag angenommen und somit werden alle Kosten komplett durch die Erasmus+-Förderung gedeckt.“

Schulpartnerschaft als integrierter Teil des Unterrichtskonzeptes:

MMag. Klaus Tasch: „In unserem Europazweig ist der Schüleraustausch ein Teil unseres Konzeptes. Im Gegenstand ‚Internationale Kommunikation‘ suchen SchülerInnen angeleitet von LehrerInnen Schulen, die an Partnerschaften interessiert sind und planen dann die Austauschwochen. Üblicherweise führen diese Projekte zu gegenseitigen Besuchen, wobei die SchülerInnen wechselseitig bei Gastgeschwistern eine Woche bis 10 Tage wohnen.“

 

Inwiefern profitieren die SchülerInnen, der Lehrkörper und Ihre Schule allgemein von der Schulpartnerschaft?

Abb. 2 (c) VS Schönau. Zeichnungen für die Friedensbrücke.

Weltoffenheit, Persönlichkeitsbildung und Schulentwicklung:

MMag. Klaus Tasch: „Für SchülerInnen sind Anbahnung, Planung und Durchführung sehr spannend. Neben der Auseinandersetzung mit Inhalten ist das Eintauchen in eine andere Familie lehrreich. Hautnah zu erfahren, dass Menschen in anderen Ländern ähnliche Bedürfnisse haben aber es auch kulturelle Unterschiede gibt, ist ein wesentlicher Schritt in Richtung einer weltoffenen, reflektierten Persönlichkeit. Dass sich zudem Fremdsprachenkenntnisse dabei verbessern, ist auch sehr positiv.  Außerdem bekommen LehrerInnen und die Schule zusätzliche Anregungen zur Schulentwicklung.“

Wenn man immer nur in der eigenen Schule sitzt, kennt man nur den einen Weg:

Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd: „In der österreichischen Bildungslandschaft herrscht viel Konkurrenz. In Schulpartnerschaften gibt es diese Konkurrenz nicht. Im Gegenteil, durch den Austausch wird man weltoffener. Wenn man immer nur in der eigenen Schule sitzt, kennt man nur den einen Weg und ist überzeugt davon, dass das der richtige ist. Und wenn man in eine andere Schule kommt, sieht man: ‚Ah, so geht das auch. Spannend!‘ Durch den Austausch merkt man: Es gibt viele verschiedene Wege, die zum Ziel führen, die gleichberechtigt sind – die sind nicht besser, die sind nicht schlechter, sie sind einfach anders und gleichwertig. Da kann man sich immer wieder etwas abschauen und lernen.“

Vielseitige Bereicherungen für die SchülerInnen:

Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd: „Auch die SchülerInnen profitieren stark von der internationalen Schulpartnerschaft. 90% meiner SchülerInnen haben Migrationshintergrund. Wenn diese Kinder anderen Kindern ihre Stadt zeigen, vermittelt das ein Heimatgefühl. Das war ihr Graz, ihre Heimatstadt. Sie haben die Gäste herumgeführt, sie sind die Gastgeber. Es ist sozusagen ein Entwickeln von Wurzeln, indem sie Gastgeber sind und steigert ihren Selbstwert.

Außerdem gibt es den SchülerInnen die Möglichkeiten, Ausflüge und Auslandsreisen zu machen, ohne die Eltern finanziell zu belasten. Auch das Passieren von Staatsgrenzen ohne Einschränkung, ohne Angst und ohne Kontrolle prägt das Weltbild der Kinder. Eine wesentliche Bereicherung ist auch, dass die SchülerInnen lernen, wie man mit Menschen, die eine andere Sprache sprechen, kommuniziert. Es geht um Verständigung miteinander, welche man versucht zu leben. Wir bauen unsere Partnerschaft auch in den Schulalltag ein, in den Deutschunterricht beispielsweise – Zu Weihnachten haben wir Karten an unsere PartnerschülerInnen geschrieben und auch wieder Post zurückbekommen. So wird der Unterricht viel lebendiger.“

Kennenlernen einer anderen Lebensweise und Verlieren von Berührungsängsten:

Mag. Heimo Hirschmann: „Eine zentrale Bereicherung ist das Kennenlernen einer anderen Lebensweise. Zu Zeiten des Eisernen Vorhangs bestanden sehr große Unterschiede zwischen der Slowakei und Österreich und durch die 30-jährige Partnerschaft bekamen wir einen einzigartigen Einblick darin, wie der Wohlstand und die Freiheiten über die letzten Jahrzehnte gestiegen sind. Was gleichgeblieben ist, ist die überbordende Herzlichkeit unserer slowakischen GastgeberInnen, wenn unsere Schule auf Besuch ist. Wir tafeln in der Schule, weil das Essengehen mit dem slowakischen Einkommen nicht leistbar wäre, und jede/r von ihnen bringt Köstlichkeiten aus dem eigenen Haushalt mit: Salat aus dem Gemüsegarten, selbstgemachte Getränke, Selbstgebackenes, und so weiter. Wenn sie bei uns auf Besuch sind, laden wir sie zum Essen in ein Gasthaus ein, wenn wir bei ihnen zu Besuch sind, überschütten sie uns mit Gastfreundlichkeit und Herzlichkeit.

Außer des Einblicks in eine andere Lebensweise, sind alle Kinder im Anschluss an die Austäusche in Brieffreundschaften, sie chatten, Barrieren fallen, die SchülerInnen trauen sich Englisch zu reden und merken, wie gut das funktioniert und sie verlieren jegliche Berührungsangst.“

 

Welche Aktivitäten sind Teil Ihrer Schulpartnerschaft?


Abb. 3

Vielseitige gemeinsame Aktivitäten:

MMag. Klaus Tasch: „Die Aktivitäten reichen vom Besuch regulärer Schulstunden über Workshops zum speziellen Thema bis hin zu gemeinsamen Ausflügen zu lokalen Sehenswürdigen und gemeinsamen Feiern.“

Gemeinsame Treffen sind das Highlight:

Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd: „Die gegenseitigen Besuche und Treffen sind eigentlich das Highlight: Als uns unsere Partnerschule in Graz besucht hat, machten wir eine Stadtführung und wurden ins Rathaus eingeladen und im Oktober 2019 hatten wir ein besonders tolles Treffen. Unsere Schulen trafen sich an der slowenisch-österreichischen Grenze in Bad Radkersburg, um die wiederaufgebaute Friedensbrücke, die während der Jugoslawienkrise zerstört wurde, wiederzueröffnen. Dazu haben die Kinder im Kulturzentrum gemeinsam Zeichnungen gestaltet, welche im Rahmen der Eröffnung aufgehängt wurden. Weitere Austäusche waren für April und Mai dieses Jahres geplant, welche durch die Situation rund um das Coronavirus aber leider abgesagt werden mussten. Ein weiterer Teil unserer Schulpartnerschaft sind auch projektbezogene Unterrichtsschwerpunktthemen, der virtuelle Kontakt über eTwinning, eine von der EU entwickelte Plattform zum Austausch, und das gemeinsam entwickelte Slowenisch-Deutsch Wörterbuch, welches alle Projektbeteiligten zum Abschluss bekommen.“

Austäusche, politische Bildung, Sportwochen und feierliche Empfänge:

Mag. Heimo Hirschmann: „Teil unserer 32-jährigen Schulpartnerschaft sind jährliche Treffen von uns Lehrpersonen. Wir wohnen meist in den schuleigenen Appartements und die SchülerInnen während der Austäusche bei Gastfamilien. 2004 fand anlässlich der großen EU-Osterweiterung ein großes Projekt statt, bei dem uns unsere slowakische Partnerschule für einige Tage besuchte. Zum Auftakt fuhren wir TurnlehrerInnen mit dem Fahrrad an die slowakische Grenze und holten unsere Gäste symbolisch dort ab. Wir veranstalteten gemeinsame Sportwettbewerbe und im Geografieunterricht haben wir Plakate gestaltet und unsere SchülerInnen haben die slowakische Hymne gelernt – auf Slowakisch. Als wir diese den PartnerlehrerInnen als Überraschung präsentierten, sprangen die slowakischen LehrerInnen beim ersten Takt auf, sangen mit und waren unheimlich gerührt, dass unsere österreichischen SchülerInnen die slowakische Hymne singen. Das war ein sehr bewegender Moment.

Weiters luden wir unsere Partnerschule 2009 zu einer internationalen Podiumsdiskussion zum Thema ‚5 Jahre EU-Beitritt der Slowakei – Was hat sich verändert‘ ein und seit 2009 veranstalten wir immer wieder gemeinsame Sportwochen.“

 

Warum sind internationale Schulpartnerschaften wichtig?

Zum Abschluss brachte Mag. Heimo Hirschmann eine Anekdote zur Rolle, die internationaler Austausch in der Veränderung von Denkweisen spielen kann, ein: „Eines Tages als ich bei einem Elternabend die Projektwoche in der Slowakei vorstellte, fragte ein Elternteil nach, wieso die Schule mit den Kindern nicht nach Frankreich fahre und wandte ein: ‚Mein Kind hat etwas Besseres verdient.‘ Ich finde, solche Denkweisen sind fatal. Wenn die SchülerInnen von den Austäuschen zurückkommen, sind sie alle begeistert.“ Die Anekdote von Mag. Heimo Hirschmann verdeutlicht ein weit verbreitetes Phänomen der Menschheit: Das Denken in Vorurteilen und das Vorab-Diskriminieren einiger Länder und EinwohnerInnen als schlechter als andere. Solche Vorurteile können am besten durch Kontakt, Begegnung und Austausch abgebaut werden – Aspekte, die internationale Schulpartnerschaften und Austäusche herbeibringen können. „Würde es internationale Schulpartnerschaften nicht schon geben, müsste man sie erfinden“, wie MMag. Klaus Tasch feststellte.

Abb. 4 (c) VS Schönau. Wiedereröffnung der Friedensbrücke an der österreichisch-slowenischen Grenze.

Die Interviews mit Direktorin Mag.a Angela Kaltenböck-Luef BEd von der VS Schönau, Direktor Mag. Heimo Hirschmann vom Herta Reich BG/BRG Mürzzuschlag und Direktor MMag. Klaus Tasch von der MS/BG/BRG Klusemannstraße führte Verena Ulrich. Ein herzliches Dankeschön an die drei Schulleitungen für das bereitwillige Teilen Ihrer Erfahrungswerte!

Weiterführende Links für Interessierte:

Ein Handbuch des Interkulturellen Zentrums zur Gestaltung internationaler Schulpartnerschaften:

Das Interkulturelle Zentrum stellt 10 Empfehlungen für die Gestaltung erfolgreicher und qualitativer Schulpartnerschaften weltweit vor: https://issuu.com/arge_jugend/docs/handbuch_nachhaltigkeit_schulpartnerschafen

 

Erasmus+

Erasmus+ School-Exchange Partnerschaften sind von der EU finanzierte Schulpartnerschaftsprojekte. Den Folder dazu findet man hier: https://bildung.erasmusplus.at/fileadmin/Dokumente/bildung.erasmusplus.at/Publikationen/Schulbildung_Folder_web.pdf

Alle Informationen zur Erasmus+ School-Exchange Partnerschaften findet man hier: https://bildung.erasmusplus.at/de/schulbildung/school-exchange-partnerschaften/

Die Bildungsdirektion Steiermark informiert hier über Erasmus+: https://www.bildung-stmk.gv.at/unterricht/europaservice/erasmus.html

Zur Inspiration: Eine Liste der Schulen und Themen der 2019 genehmigten Erasmus+ Schulpartnerschaftsprojekte: https://bildung.erasmusplus.at/fileadmin/Dokumente/bildung.erasmusplus.at/Schulbildung/Strategische_Partnerschaften/Auswahllisten/Auswahlliste_KA229_School_Exchange_Partnerschaften_WEBSITE_final_v3.pdf

 

eTwinning

eTwinning bietet Lehrenden und SchülerInnen eine Plattform um europaweit zu kommunizieren, kooperieren, Projekte zu entwickeln und sich auszutauschen und Teil einer der spannendsten Lerngemeinschaften Europas zu sein: https://www.etwinning.net/de/pub/index.htm

 

Unterstützung

Die Stabstelle Bildungscontrolling, Kommunikation und Schulpartnerschaft der Bildungsdirektion Steiermark unterstützt bei Antragstellungen von Erasmus+-Schulpartnerschaftsprojekten: https://www.bildung-stmk.gv.at/unterricht/europaservice/servicereferat-eu-internationalisierung.html

Liste der Ansprechpartner/innen von Erasmus+ in den Bundesländern: https://bildung.erasmusplus.at/fileadmin/Dokumente/bildung.erasmusplus.at/Schulbildung/Promotorenliste_SB_Stand_Dezember2019__f._Website.pdf

 

Weltweit unterrichten

Weltweit unterrichten: https://www.weltweitunterrichten.at/site/portal/home

Eine Liste von Österreichs Auslandsschulen: https://www.weltweitunterrichten.at/site/auslandsschulen/standorte

 

Linksammlung zum Thema auf schule.at

Eine Linksammlung zu internationalen Schulpartnerschaften auf schule.at: https://www.schule.at/portale/volksschule/paedagogik/detail/internationale-schulpartnerschaften.html

Bildquellen:

Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/ausführen-springen-mädchen-kinder-1321278/ (abgerufen am 13.05.2020)

Abb. 1: https://pixabay.com/de/photos/schule-bücher-äpfel-tafel-2276269/ (abgerufen am 13.05.2020)

Abb. 2: (c) VS Schönau

Abb. 3: https://pixabay.com/de/photos/ausführen-springen-mädchen-kinder-1321278/ (abgerufen am 13.05.2020)

Abb. 4: (c) VS Schönau