Gesundheit ist momentan ein Thema so allgegenwärtig wie noch nie in der Geschichte der zweiten Republik. Anlässlich der aktuellen Covid-19-Pandemie und des vergangenen Weltgesundheitstages am 7. April widmen wir uns einigen Fragen zu Österreichs Umgang mit der aktuellen Gesundheitskrise, zur Diversität in unserem Gesundheitsbereich und dazu, was wir aus der Krise lernen können.
Wie macht sich Österreich im internationalen Vergleich im Umgang mit der Gesundheitskrise?
Die Verbreitung des Coronavirus weltweit stellt viele Länder international vor dieselben Fragestellungen: Wie kann man das Virus möglichst schnell eindämmen? Schränkt man das Wirtschaftswachstum ein, um die Gesundheit der Menschen möglichst gut zu schützen? Schränkt man die Bevölkerung in ihren Freiheiten ein, um soziale Kontakte zu vermeiden und die Ausbreitung zu verringern? Und vor allem: Wie krisensicher ist unser Gesundheitssystem?
Österreich war im internationalen Vergleich eines der ersten Länder, das strenge Einschränkungen des gesellschaftlichen Lebens eingeführt hat und die Bevölkerung hält sich bis dato vorbildlich an die Maßnahmen der Regierung. Auch erweist sich unser Gesundheitssystem bisher als recht krisensicher: Anders als in anderen Ländern, konnten österreichweit bis jetzt immer ausreichend Intensivbetten für den Fall einer größeren Infektionswelle freigehalten werden. Bis heute liegt die höchste Belegung an Intensivbetten durch Coronapatient*innen bei 266, wobei die Anzahl der freigehaltenen Intensivbetten bei 980 liegt (Vgl. ORF-Statistik). Wie eine OECD-Kurzstudie zeigt, liegt Österreich mit 28,9 Intensivbetten pro 100.000 Menschen weit über dem OECD-Durchschnitt von 15,9 (siehe Grafik 1). Nur Deutschland hat mit 33,3 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner*innen mehr als Österreich. England mit 10,5 Italien mit 8,6 und Irland mit 5 Intensivbetten liegen weit unter dem OECD-Durchschnitt.
Grafik 1. OECD-Statistik zur Anzahl der Intensivbetten pro 100.000 Einwohner*innen in ausgewählten OECD-Ländern. Die ganze Studie hier: https://issuu.com/arge_jugend/oecd-kurzstudie
Der internationale Vergleich in puncto Intensivbetten zeigt klar, dass Österreichs Gesundheitssystem im internationalen Vergleich außerordentlich gut aufgestellt ist. Auch die erste Bilanz bezüglich der Maßnahmen durch die Bundesregierung macht deutlich, dass Österreich bis dato sehr gut mit der Gesundheitskrise umgeht. Wie durch die Statistiken des ORF hervorgehoben wurde, hat die österreichische Regierung schon nach den ersten 1000 positiv Getesteten Ausgangsbeschränkungen eingeführt, nur China hat im Vergleich noch früher reagiert (siehe Grafik 2). Durch seine proaktive Haltung hat Österreich es geschafft, die Zahl der täglichen Neuinfizierungen stark zu senken. Die internationalen Vergleiche und die nationalen Entwicklungen zeigen, dass sowohl die österreichische Regierung, durch ihr schnelles Handeln, als auch die Bevölkerung, durch das sofortige Umsetzen der Maßnahmen, bisher einen sehr guten Job im Krisenmanagement geleistet haben. Nur weiter so!
Grafik 2. ORF-Statistiken zu Ausgangsbeschränkungen und der Entwicklung von positiv Getesteten Covid-19-Fällen im internationalen Vergleich vom 6.4.2020. Die Dreiecke markieren den Zeitpunkt der Einführung von Ausgangsbeschränkungen.
Wer steckt hinter unserem Sozial- und Gesundheitspersonal?
Die bisher relativ positive Entwicklung rund um die Corona-Pandemie wäre nicht möglich gewesen ohne das starke Engagement von Menschen im Gesundheits- und Sozialwesen. Anlässlich der Gesundheitskrise stärkt sich das Bewusstsein darüber, welch lobenswerte Arbeit Menschen im Gesundheitssektor leisten und wer denn in diesem Sektor tätig ist. Die Ein- und Ausreisebeschränkungen auf der einen Seite und der Bedarf an Pflegepersonal auf der anderen Seite hat deutlich gemacht, dass die Gesundheitsversorgung der österreichischen Bevölkerung ohne jene Menschen, die aus dem Ausland zuwandern, nicht gegeben ist. Das gilt vor allem für ältere und pflegebedürftige Menschen. Laut der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) sind knapp 80% der selbständige Personenbetreuer*innen aus der Slowakei und Rumänien, 6% aus Kroatien und nur 1,6% von ihnen Österreicher*innen (Vgl. Wiener Zeitung). Im gesamten Sozial- und Gesundheitsbereich haben laut Statistiken des Österreichischen Integrationsfonds (ÖIF) vier von zehn Personen einen Migrationshintergrund. Hinter unserem Gesundheitspersonal stehen also Menschen mit diversesten Hintergründen, denen sowohl die Regierung als auch die österreichische Bevölkerung wohl nicht nur in Zeiten wie diesen ihr Leben und ihr „g´sund Bleiben“ zu verdanken hat.
Was können wir aus der Gesundheitskrise lernen?
Obwohl unsere körperliche und geistige Gesundheit immer relevant ist, hat sich die österreichische Gesellschaft selten so viele Gedanken darum gemacht wie sie es aktuell tut. Schlüsselkräfte im Gesundheitswesen erhalten Bonuszahlungen als besondere Wertschätzung, die Gesellschaft hinterfragt „just-in-time“ Produktion im Gesundheitsbereich, die Regierung und die Bevölkerung stellen die Gesundheit der Menschen vor die der Wirtschaft und viele versuchen, zu einer inneren Ruhe zu kommen, anstatt von einem Termin zum nächsten zu hetzen. Warum sollte man diese Krise nicht als Augenöffner sehen und einige der „lessons learned“ in ein Leben ohne akute Infektionsgefahr mitnehmen? Der Sozial- und Gesundheitsbereich ist auch außerhalb von Krisenzeiten überlebensnotwendig für jede*n Einzelne*n. Sparmaßnahmen sowohl auf Ebene der Geräte und Ausstattung als auch auf Personalebene sollten hinterfragt werden, um der Not an Schutzbekleidung, Intensivbetten oder Personal vorzubeugen. Und auch als Individuen können wir das Gesundheitssystem und unser persönliches Wohlergehen nicht als Selbstverständlichkeit sehen, sondern uns einen Ruck geben und unsere „Sparmaßnahmen“ in puncto „g´sund bleiben“ überdenken: Schaffen wir es als Gesellschaft, Menschen mit diversesten Hintergründen, die sich tagein tagaus um unsere Grundversorgung kümmern, auch weiterhin hier und da ein freundliches „Danke“ und ein Lächeln zu schenken? Schaffen wir es als Individuen, weiterhin auf unsere körperliche und geistige Gesundheit zu achten, sie der Arbeit vorzuziehen, uns Pausen zu gönnen und den Stress in unserem Alltag gering zu halten? – Die Chance, ein Umdenken rund um´s „g´sund Bleiben“ zu veranlassen, wäre nun zumindest da.
Weiterführende Links:
OECD-Kurzstudie „Beyond Containment: Health Systems Responses to COVID-19 in the OECD“:https://issuu.com/arge_jugend/oecd-kurzstudie:
Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von issuu.com zu laden.
Kurier. Österreichs Intensivbetten im internationalen Vergleich: https://kurier.at/coronavirus-oesterreich-bei-intensivbetten-weit-ueber-oecd-schnitt/400794380
ORF. Kapazität in Spitälern: https://orf.at/stories/3159312/
ORF. Covid-19-Statistiken: https://orf.at/corona/stories/3157533/
Wiener Zeitung: Herkunft von Pfleger*innen: https://www.wienerzeitung.at/Vier-von-fuenf-Pflegerinnen-aus-Rumaenien-und-der-Slowakei.html
Bildquellen:
Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/chirurg-operation-gummiente-2821375/ (abgerufen am 15.04.2020)
Grafik 1: Aus „Beyond Containment: Health Systems Responses to COVID-19 in the OECD“: http://www.oecd.org/coronavirus/policy-responses/beyond-containment-health-systems-responses-to-covid-19-in-the-oecd-6ab740c0/ (abgerufen am 15.04.2020)
Grafik 2: https://tvthek.orf.at/profile/ZIB-1/1203/ZIB-1/14047349 (abgerufen am 15.04.2020)