Die Gedenkfeiern zum 8. Mai und deren Sinn in der Gegenwart

Die Gedenkfeiern zum 8. Mai und deren Sinn in der Gegenwart

Jährlich rund um den 8. Mai begeht die Republik Österreich Gedenkveranstaltungen zur Befreiung vom Nationalsozialismus. Heuer wurden die Feierlichkeiten medial breit diskutiert, vor allem auch wegen der Rede des Schriftstellers Michael Köhlmaier, der die Regierung sehr kritisiert hat. Für viele stellt sich nun natürlich die Frage, inwieweit die Feierlichkeiten um den 8. Mai noch notwendig und sinnvoll sind.

Allein die Tatsache, dass eine Rede eines Schriftstellers so breit diskutiert wird zeigt, dass der Bedarf an solchen Gedenktagen und Gedenkveranstaltungen nach wie vor hoch ist. Man kann an der Rede von Herrn Köhlmaier viel kritisieren. Auch werden heute Vergleiche mit dem Nationalsozialismus zu inflationär verwendet. Heinz Christian Strache bezeichnete in seiner Rede am Akademikerball 2012 die FPÖ als „die neuen Juden“ und dass die Angriffe auf die Buden wie „die Reichskristallnacht seien“. Zwar sind historische Vergleiche legitim und durchaus auch wünschenswert, weil sie dazu dienen, die Probleme der Gegenwart zu verstehen. Allerdings muss man gerade bei Vergleichen mit dem Nationalsozialismus aufpassen, dass diese das totalitäre Regime nicht verharmlosen. Der Vergleich Straches der Burschenschafter als der neuen Juden zeigt, was mit inflationärer Verwendung gemeint ist.

Die kleinen Schritte

Insofern ist die Rede von Köhlmaier auch zu kritisieren. In einem Punkt jedoch ist ihm mit Sicherheit zuzustimmen. Köhlmaier sagte, dass die Menschen „zum großen Bösen nicht in einem Schritt, sondern in vielen kleinen“ kamen.

Die Konzentrationslager und die systematische Vernichtung von Millionen von Menschen fielen nicht vom Himmel. Sie war vielmehr die Summe von vielen kleinen Schritten die zu dieser beispiellosen Eskalation in der Menschheitsgeschichte führten.

Deswegen ist es wichtig, dass es von staatlicher Seite solche Gedenktage und Gedenkveranstaltungen gibt. Sie führen vor Augen, zu welchen Taten ein totalitäres System fähig ist, wenn man die vielen kleinen Schritte nicht erkennt.

Jedoch können solche Gedenkaktionen nur ein Teil zur Verhinderung solcher totalitären Regimes sein. Die Gedenkaktionen können die Ergebnisse aufzeigen, sichtbar machen und ermahnen. Genauso wichtig ist es aber, die aktuellen Entwicklungen zu beobachten, mit der Vergangenheit zu vergleichen und die richtigen Schlüsse daraus zu ziehen. Es ist bedenklich, dass es aktuell Tendenzen gibt, die „den Ausländern“ die Schuld an allen Problemen geben. Es ist bedenklich, dass in europäischen Ländern die Pressefreiheit eingeschränkt und das Justizsystem immer mehr unter staatliche Kontrolle gerät. Es ist bedenklich, dass Nationalstaaten versuchen, Vorteile für sich auf Kosten anderer Nationalstaaten zu schaffen. Und es ist bedenklich, dass einige wenige radikale Stimmen, egal auf welcher Seite, mehr Gehör finden, als die breite Mitte. Es ist bedenklich, dass es entweder schwarz oder weiß gibt und die differenzierten Meinungen nur wenig Gehör finden.

Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte

Es ist aber auch genauso wichtig, sich mit der eigenen Geschichte zu befassen. Zwar ist es von staatlicher Seite heute recht breiter Konsens, dass Österreicherinnen und Österreich nicht nur Opfer, sondern auch Täter waren. Es ist aber auch nicht richtig, alle zu verurteilen, die in irgendwelcher Form den Nationalsozialismus unterstützten und sei es nur durch Wahlen. Eine genaue Auseinandersetzung mit der Geschichte Österreichs, wie auch der eigenen Geschichte, ist unumgänglich. Auch wenn es bedeutet, dass man sich unangenehmen Fragen stellen muss. In vielen Regionen Österreichs ist es noch immer sehr schwierig, offen über die Geschichte zu reden. Um in Zukunft solche Regimes wie das des Nationalsozialismus zu verhindern, ist das aber notwendig. Jedoch dürfen wir nicht grudlos verurteilen. Eine sachliche Auseinandersetzung ist aber mehr als notwendig.

Um diese Prozesse in Gang zu setzen sind die Gedenktage und Gedenkaktionen sehr wichtig. Zumindest einmal im Jahr erinnert man sich an diese Zeit, an die Opfer aber auch an die Verantwortung Österreichs. Das kann helfen, sich kritisch mit der eigenen Geschichte auseinander zu setzen.

Schlussendlich sind solche Gedenkaktionen auch ein wichtiges Symbol: ein Symbol des Sieges der Demokratie gegen die Diktatur und Unterdrückung. Insofern ist es auch ein gutes Zeichen, dass kontroversielle Reden breit und kritisch diskutiert werden. Denn in einer Diktatur wäre das nicht möglich, somit sind diese Diskussionen ein starkes Zeichen einer Demokratie. Und in einer Demokratie wird es hoffentlich auch keine Bilder mehr von 1000enden KZ-Befreiten geben, die durch das Land irren.

 

Christoph Hochmüller