In diesen Tagen wird in Israel Geburtstag gefeiert. Der unabhängige Staat Israel feiert sein 70-jähriges Bestehen. Am 14.Mai 1948 proklamierte der erste Premierminister Israels, David Ben Gurion, die Unabhängigkeit Israels: „Gleich allen anderen Völkern, ist es das natürliche Recht des jüdischen Volkes, seine Geschichte unter eigener Hoheit selbst zu bestimmen.“[1], sprach er damals.
Auch einen weiteren Grund zu feiern gibt es in Israel. Die USA verlegen einen Teil ihrer Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem. Für Israel ist das ein wichtiges Zeichen dafür, dass Jerusalem von den USA als Hauptstadt Israels anerkannt wird.
Gleichzeitig gelten der 14. und 15. Mai für viele Teile der Bevölkerung aber auch als „Trauma-Tage“. Für die Palästinenser, die arabische, zum Großteil muslimische Bevölkerungsgruppe Israels, gelten die beiden Tage im Jahr 1948 als „Nakba“ – die Katastrophe.
Für die Palästinenser war die Ausrufung des Staates Israels eine Katastrophe, vor allem auch weil der darauf folgende israelisch-palästinensische Krieg den Beginn der Flucht von vielen Palästinensern markiert. Diese Flucht dauert im Prinzip bis heute an. Für die arabische Bevölkerung Palästinas grenzt die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem auch beinahe an eine Katastrophe.
Doch woran liegt das Konfliktpotential in dieser Region? Woran liegt es, dass die beiden großen Bevölkerungsgruppen Palästinas, die Ereignisse so unterschiedlich wahrnehmen?
Der Nationalismus als Brandstifter
Die Antwort darauf liefert wie so oft die Geschichte. Um den Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern zu verstehen muss man mindestens 100 Jahre zurückgehen. Im Ersten Weltkrieg war die Idee des Zionismus, also die Rückkehr der Juden ins Heilige Land, schon weit verbreitet. Gleichzeitig versuchten die europäischen Kolonial- und Imperialmächte ihren Einfluss weiter auszubauen. Vor allem Großbritannien war sehr am Nahen Osten interessiert. Hätten sie auch noch Einfluss in Palästina, und dem Irak, so könnten sie auch den Landweg zwischen Ägypten, dem Mittelmeer und dem Persischen Golf kontrollieren. Frankreich wollte seinen Einfluss im Nahen Osten auch erhöhen um in das Machtvakuum, dass das implodierende Osmanische Reich zurückließ, einzutreten. Diese beiden Mächte waren auch in Europa im Krieg Verbündete und so machten sie ihre Einflusssphäre im Nahen Osten untereinander aus. Sie achteten dabei nur auf ihre Interessen und gingen nicht auf ethische Gruppen, kulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede ein. Das Sykes-Picot Abkommen wurde nach dem Krieg auch umgesetzt. Noch heute ist es im Grenzverlauf zwischen Syrien und dem Irak zu sehen, denn die Grenze wurde tatsächlich mit dem Lineal gezogen.
Balfour Deklaration und Hussein-McMahon Abkommen
Die Briten schlossen aber auch noch andere Geheimabkommen, um sich Einfluss und Unterstützung zu sichern. Der britische Außenminister Balfour gab eine Erklärung ab, in der er den Juden die Unterstützung Großbritanniens bei der Schaffung eines jüdischen Staates in Palästina zusagte. Gleichzeitig kam es zum Hussein-McMahon Abkommen, in dem die Briten den Arabern Unterstützung bei der Schaffung eines arabischen Staates zusicherten. Juden und Araber wussten von dem anderen Abkommen jedoch nichts.
So ist es nicht verwunderlich, dass recht bald erste Konflikte zwischen Arabern und Juden auftraten. Die Briten, unter deren Oberhoheit Palästina lag, waren mit der Situation zunehmend überfordert. Durch die Machtergreifung Hitlers in Deutschland, nahm der Wunsch der Juden nach einem eigenen Staat natürlich nochmals deutlich zu. Diese Siedlungstätigkeit wurde auch von Teilen der arabischen Bevölkerung gut geheißen, weil sie gutes Geld mit dem Verkauf von Grundstücken machten.
Die Briten gaben aufgrund der zunehmenden Konflikte die Oberhoheit an den Völkerbund, den späteren Vereinten Nationen, ab. Diese brachten schon recht früh einen Teilungsplan als Lösungsvorschlag ein. Die heutigen Vorschläge einer 2-Staaten Lösung orientieren sich grob an diesem Teilungsplan.
Das Völkerbundmandat lief 1948 aus. Die Juden, welche staatlich schon gut organisiert waren, nutzten diese Möglichkeit um einen unabhängigen Staat auszurufen und die Araber vor vollendete Tatsachen zu stellen. Nur Jerusalem blieb unter der Verwaltung der UN. Bereits einen Tag nach der Unabhängigkeitserklärung griffen die arabischen Nachbarn Israel an. Trotz der Überzahl, gelang es den arabischen Nachbarn nicht, Israel zu besiegen, zu unterschiedlich waren ihre Interessen. Somit hatte der neue Staat seine Feuertaufe bestanden.
Verschärfung der Situation
Es folgten weitere Kriege. Die meisten verliefen sehr erfolgreich für Israel. Vor allem im Sechs-Tage Krieg konnte Israel weite Teile des umliegenden Landes erobern und vergrößerte sein Staatsgebiet um ein Drittel. Von nun an gehörten auch Teile mit arabischer Mehrheitsbevölkerung zu Israel. Viele dieser Teile, sind nicht als israelisches Staatsgebiet anerkannt. Um dieses Gebiet abzusichern setzte Israel vermehrt auf Siedlungstätigkeit. Durch steuerliche Vergünstigungen und finanzielle Unterstützung seitens des Staates, versucht Israel Leute in umstrittenen Gebieten anzusiedeln. Das war auch deshalb möglich, weil viele Palästinenser während der Kriege in die palästinensischen Hoheitsgebiete flohen. Als sie zurückkommen wollten, waren ihre ehemaligen Dörfer vom israelischen Militär besetzt. Daher blieb vielen Palästinensern nichts anderes übrig, als in den palästinensischen Gebieten wie dem Westjordanland, Ostjerusalem oder dem Gazastreifen zu bleiben. Diese Gebiete erhalten viel weniger staatliche Zuwendungen vom Staate Israel, als Gebiete mit jüdischer Bevölkerung. Daher sind die Zustände vor allem im Gazastreifen fast nicht mehr tragbar.
Das ist auch der Grund, warum aktuell jeder vom „Pulverfass Naher Osten“ spricht. Es wird davon ausgegangen dass es blutige Demonstrationen der Palästinenser gegen Israel geben wird. Die Entscheidung von US-Präsident Trump die US Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, zeugt somit höchstens von Unwissenheit. Zwar wird die Verlegung de facto nicht viel verändern, symbolisch ist sie jedoch ein fatales Zeichen. Trump erkennt damit Jerusalem als Hauptstadt Israels an, und nimmt der arabischen Bevölkerung ihre Hauptstadt weg. Das komplizierte an der Sache ist nämlich, dass Jerusalem bis zum Sechs-Tage Krieg eine geteilte Stadt war. Westjerusalem gehörte zu Israel, Ostjerusalem zu Jordanien. Durch den Krieg wurde Ostjerusalem von israelischen Truppen besetzt und de facto annektiert, was völkerrechtlich nicht anerkannt wurde. Trump agiert also mit seiner Entscheidung wie die alten Kolonialmächte, die einen großen Teil der Schuld am aktuellen Konflikt haben. Wenn man nicht berücksichtigt, dass Jerusalem die heiligste Stadt der
Juden, aber auch die drittheiligste Stadt der Muslimen, wie auch eine wesentliche Stätte des christlichen Glaubens ist und eine solche Entscheidung fällt, so macht man sich mitverantwortlich für die nächsten Konflikte, die uns auch die nächsten Jahrzehnte beschäftigen werden. Hoffentlich finden sich bald neue politische Kräfte, die eine Lösung ernsthaft anstreben, alte Denkmuster aufbrechen und mit dem gegenüber auf Augenhöhe verhandeln. Solange das nicht passiert, wird der Konflikt wohl weiter schwellen.
[1] http://www.hagalil.com/israel/independence/azmauth.htm
Christoph Hochmüller