Hass im Internet – virtuelle Kommunikation bildet Wirklichkeit

Sprache bildet Wirklichkeit – mit dieser prägnanten Aussage brachte der österreichisch-amerikanische Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut und Philosoph Paul Watzlawick im Jahr 1976 die Bedeutung der Kommunikation für unser Leben auf den Punkt. Er wollte damit ausdrücken, dass die Worte, die wir wählen um unsere Mitmenschen zu empfangen, etwas zu erbitten, Vereinbarungen zu treffen oder Konflikte auszutragen, maßgeblichen Einfluss auf unser gegenwärtiges Zusammenleben sowie auf die zukünftige Entwicklung unserer Gesellschaft haben. Vor diesem Hintergrund erscheint eine aktuelle Entwicklung höchst alarmierend: Hass im Internet. Wir alle kennen das Procedere hasserfüllter Postings in sozialen Netzwerken: kaum ist ein brisanter Medienbericht veröffentlicht, der die einen oder anderen Gemüter bewegt, füllen sich Facebook- und Twitterseiten im Sekundentakt mit hitzigen Statements. In der einen Sprechblase bloppen hastig aneinandergereihte Sätze auf, die vorwiegend aus Schimpfworten, Emojis und Rufzeichen bestehen und hoffen lassen, dass es sich bei der Häufigkeit obszöner Wortwiederholungen um Copy-Paste-Irrtümer und Tastaturfehler handelt. In einer anderen liest man vermeintlich elegant formulierte Zeilen mit spitzfindigen Argumenten, die unterschwellig dermaßen abartige Wertvorstellungen zum Vorschein bringen, dass einem zivilisierten und humanistisch geprägten Menschen ein kalter Schauer über den Rücken läuft.

Rassismus  goes Facebook und Twitter

Um nur ein paar jüngste Beispiele von Hass – vor allem von Fremdenhass – im Internet in Erinnerung zu rufen: am 24.Dezember 2017, dem Weihnachtsabend, erlitt ein junger Flüchtling am Dach eines Güterzugcontainers am Brenner einen Stromschlag und verstarb. Wenige Minuten nach dem tragischen Unfall fanden sich Aussagen wie „Wofür Strom nicht alles gut ist“ oder „Ein Stromschlag – vielleicht die Lösung für den Asylwahnsinn?“ auf Facebook und Twitter. Nur eine einzige Person bekundete Trauer über den Todesfall, stellte sich damit gegen tausende Hassposter/innen – und erntete Spott und Beschimpfung. Wenige Tage später, am 1. Jänner 2018, wurde stolz das Wiener Neujahrsbaby Asel gemeinsam mit seinen freudestrahlenden Eltern in den Medien präsentiert. Unter dem vielfach geteilten Online-Artikel zur Geburt des winzigen neuen Erdenbürgers sprudelten zahllose Hasskommentare durch die virtuellen Kanäle: „Weg damit“,„Sofort abschieben“ oder „Die braucht niemand“. Ähnliche Sichtweisen vertreten offenbar auch jene Mitglieder der sozialen Netzwerke, die anlässlich der aktuellen Debatten um Antisemitismus in deutschnationalen Burschenschaften am 19. Jänner 2018 antisemitische Parolen höchster Güte auf der Facebook-Fanpage des Wiener Vizebürgermeisters Johann Gudenus (FPÖ) zum Besten gaben. Unter dem Titel „Schleichts eich noch Israel“ stießen hier mehrere User braune Rülpser aus: „Schickt sie in ihr Land, die haben hier nichts verloren“ oder „Kriegen die ihren Hals nie voll?“ – so die harmloseren Formulierungen inmitten des aggressiven Buchstabenchaos. Über zehn Stunden blieben die Postings online, erst nach dem Twitter-Protest des ZIB-Redakteurs Robert Zikmund und einem darauffolgenden weitläufigen Eklat in der Social Media-Community wurden die Kommentare schließlich gelöscht.

Gefahren ungeahnter Dimensionen

Nun hören wir nicht selten Beschwichtigungen und Verharmlosungen derartiger Aggressionen im Internet. Schließlich sei der Ausdruck von Hass, Rassismus und Feindseligkeit kein Phänomen allein der heutigen Zeit, verbale Entgleisungen bereits vor der modernen Technik mit Internet & Co in unterschiedlichen Rahmen vorgekommen – beim Familienessen ebenso wie am Stammtisch wie auch bei einschlägigen (politischen) Veranstaltungen. Eine konkrete Gefahr allein durch die technisierte Form hasserfüllter Kommunikation sei nicht gegeben, gelte doch auch für Online-Aggressor/innen das in der österreichischen Bundesverfassung verankerte Recht auf freie Meinungsäußerung und als rote Grenzlinie für allfällige Gesetzesüberschreitungen das Strafgesetzbuch und das Verbotsgesetz. So begründet auch die türkis-blaue Bundesregierung kühl und unbeeindruckt ihr ignorieren der Problematik mit ihren mittlerweile völlig unüberschaubaren Auswüchsen in alle erdenklichen Richtungen. Doch birgt genau der Hass im Internet nicht nur eine sondern drei ganz spezifische Gefahrenungeahnter Dimensionen: enorme Breitenwirkung, ein beachtliches Sinken der Aggressionshemmschwelle sowie ein deutlich erschwertes Setzen von Konsequenzen bei (gesetzlichen) Grenzüberschreitungen. Enorme Breitenwirkung besteht deshalb, weil aufgrund der vielfältigen technischen Möglichkeiten Inhalte schnell, einfach und vor allem endlos multipliziert werden können. Ein beachtliches Sinken der Aggressionshemmschwelle geht mit dem persönlichen Distanzgefühl gegenüber anderen Online-Akteur/innen sowie mit dem erleichterten Verlust an Verantwortungsgefühl im virtuellen Massenkontext einher. Nicht zuletzt sind wir dem erschwerten bis unmöglichen Setzen von Konsequenzen bei (gesetzlichen) Grenzüberschreitungen schutzlos ausgeliefert – dies aufgrund der Unübersichtlichkeit an virtueller Interaktion und des Fehlens einer Klarnamenpflicht, der Pflicht, unter seinem bürgerlichen Namen im sozialen Netzwerk aufzutreten und für seine Kommunikation verantwortlich gemacht werden zu können.

Ein Wort erreicht die ganze Welt

Sprache bildet Wirklichkeit. Sie kann für ein friedliches und harmonisches Miteinander sorgen oder unser Zusammenleben durch Hass, Rassismus und Feindseligkeit vergiften. Das Internet ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken, es gehört zu unserem Alltag und ist damit wesentlicher Bestandteil unserer Wirklichkeit. Vielmehr noch: es ist wesentlicher Bestandteil einer Wirklichkeit, die den gesamten Erdball umspannt und die Weltbevölkerung untereinander vernetzt. Ein in diesem globalen Netzwerk geäußertes Wort geht buchstäblich in die ganze Welt hinaus. Es ist somit die virtuelle Kommunikation, die unsere Wirklichkeit bildet und die Welt gestaltet.

Martina Weixler