Erkämpfte Erfolge sind die schönsten!

Der dornenreiche Weg zur 5. Steirische Jugendstudie 2017

Mit Fehlstart zum größten Erfolg

Alle fünf bisher publizierten Jugendstudien der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus erzielten eine hohe öffentliche und mediale Resonanz. Die 5. Steirische Jugendstudie übertraf mit sechs Doppelseiten und einer Titelseite im Rahmen der Serie #generation 2017 der Kleinen Zeitung alle Erwartungen. Doch der Erfolg war hart erkämpft. Er hing öfter am seidenen Faden, als es der wundervolle Projektabschluss vermuten ließe. Ein Blick hinter die Kulissen eines komplexen Projekts.

Link zur sechsteiligen Serie #generation 2017 der Kleinen Zeitung

 

Same procedure as every year?

Anfang Juli 2016 schien das Projekt „5. Steirische Jugendstudie“ gut auf Schiene gesetzt. Wir hatten eine feine Liste möglicher Kofinanziers erstellt, einige innovative Themen und Fragen vorbereitet und einen groben Arbeits- und Zeitplan erarbeitet. Doch was zunächst wie ein routiniertes „same procedure as every year“ aus dem Sketch „Dinner for one“ begann, entwickelte sich flugs in Richtung Murphys Law: „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.“ Unser langjähriger wissenschaftlicher Leiter, Dr. Christian Scharinger, musste infolge einer neuen beruflichen Herausforderung seine Mitarbeit an der Jugendstudie leider absagen. Auf der Suche nach einem neuen wissenschaftlichen Leiter bestimmte zunächst ebenfalls Murphy´s Law das Gesetz des angewandten Misslingens. Als dann noch einige neue Kofinanziers absagten, wollten wir die fatalen Auspizien akzeptieren und das Projekt beenden. Motto: Es will halt diesmal nicht gelingen! Demut gehört schließlich zum Projektmanagement für Profis.

Ergebnisse der 4. Steierischen Jugendstudie 2014

 

Goldene Empfehlung Peter Ederers

Mein Freund Peter Ederer gab den entscheidenden Hinweis, um den Projektabbruch zu verhindern: Er empfahl uns als möglichen wissenschaftlichen Leiter Mag. Thomas Lederer-Hutsteiner, den wir schließlich zur Angebotslegung für die wissenschaftliche Leitung der 5. Steirischen Jugendstudie einluden. Sein seriöses Angebot überzeugte aus qualitativer und aus kaufmännischer Perspektive, sodass er den Zuschlag erhielt. Das Blatt hatte sich erstmals zu unseren Gunsten gewendet und Murphy´s Law gebannt. In der Zwischenzeit sagten das Jugendressort der Stadt Graz, die AK Steiermark und die WK Steiermark ihre wiederholte Mitwirkung samt Kofinanzierung an der 5. Steirischen Jugendstudie zu. Besonders gefreut hat uns, dass das Jugendressort des Landes Steiermark nach zweimaligem Aussetzen (2009 und 2011) wiederum als Kofinanzier in das Gemeinschaftsprojekt eingestiegen ist! Der Landesschulrat für Steiermark unterstützt seit 2007 die Durchführung der Jugendstudie an allen steirischen Schultypen. Waren wir nun „back again“?

 

Wie alles vor 10 Jahren begann

Die Steirische Jugendstudie gründet auf einer Initiative der ARGE Jugend aus dem Jahre 2006. Immer wieder riefen JournalistInnen bei uns an, um statistische Daten zu „Gewalt, Rassismus, Akzeptanz der Demokratie usw.“ der steirischen Jugend zu bekommen. Vor diesem Hintergrund beschlossen wir, in regelmäßigen Abständen die steirischen Jugendlichen zu verschiedenen Themen zu befragen. Mit der Steirischen Jugendstudie wollen wir ein Orientierungsinstrument für die Planung und Steuerung von Jugendarbeit, Jugendpolitik und Bildungspolitik vorlegen. Unsere Jugendstudie dient aber auch der Relativierung von mitunter stereotypen Bildern über „die heutige Jugend“, die wir ohnedies als Plural von Lebensformen begreifen sollten. Von der ersten Jugendstudie an legen wir höchsten Wert auf folgende Qualitäten:

 

  • Externe wissenschaftliche und unabhängige Leitung, was die Gewährleistung sozialwissenschaftlicher Standards anlangt.
  • Publikation aller gewonnenen Ergebnisse, wie sie erhoben wurden. Weder die ARGE Jugend als Hauptfinanzier noch die Kofinanziers dürfen Ergebnisse unterschlagen oder in sonstiger unredlicher Weise beeinflussen.
  • Die Projektpartner bringen Themen, Fragen und Kofinanzierung ein und vereinbaren die freie Nutzung der publizierten Ergebnisse für die BürgerInnen
  • Befragung von über 2.100 Jugendlichen in allen sieben steirischen Regionen und aller Schultypen
  • Die Datenerhebung erfolgt vor Ort in den Schulen durch eingeschulte Studierende, die für die Befragung auf Basis des BAGS-KV entlohnt werden.
  • Die Studienergebnisse werden in Form eines schriftlichen Berichts öffentlich präsentiert, über Medien- und Bildungsarbeit an die BürgerInnen kommuniziert. Rückmeldungen seitens der Öffentlichkeit werden dokumentiert.
  • Für das Medienkonzept zeichnet die ARGE Jugend verantwortlich im Einvernehmen mit den Kofinanziers.

 

Sicherstellung von Transparenz, seriöser Forschung und Offenheit im Umgang mit Ergebnissen

Seit dem Jahre 2011 organisieren wir die Steirische Jugendstudie als Gemeinschaftsprojekt[1], zu dem wir Kofinanziers einladen, die neben einem Finanzierungsanteil auch Themen und Fragen einbringen können. Die ARGE Jugend finanziert aus Eigenmitteln den größten Anteil der Jugendstudie und gewährleistet die Einhaltung der zuvor genannten Kriterien, insbesondere den transparenten Umgang mit allen erhobenen Ergebnissen. Bei der aktuellen 5. Steirischen Jugendstudie 2017 finanzierten wir rund 40% der Gesamtsumme, die vier Kofinanziers jeweils 15% (in Summe 60%). Diese Form der Finanzierung erlaubt es uns, illegitime Einflussnahmen nach dem reaktionären Motto „Wer zahlt, schafft an“ mit eben diesem Motto abzuwehren, falls vernunftgeleitete Argumentation für den offenen Umgang mit Studienergebnissen nicht ausreicht. In Österreich wie auch in anderen EU-Staaten ist nämlich seit Jahrzehnten die durch nichts zu rechtfertigende Praxis zu beobachten, unliebsame Studien unter Verschluss zu halten, missliebige Ergebnisse der interessierten Öffentlichkeit zu verschweigen und die Freiheit der Wissenschaft durch krude Machtintervention unentwegt zu beschneiden.[2] Wissenschaft als Kammerdiener in Echokammern der Geldgeber, um es auf den Punkt zu bringen. Im Gemeinschaftsprojekt 5. Steirische Jugendstudie sind solche antidemokratischen Ussancen nicht durchsetzbar, worauf wir stolz sind. Dieses wichtige Kriterium einer redlichen Forschung vereinbaren wir mit allen Kofinanziers immer explizit neu und achten strikt auf dessen Einhaltung. „Eure Jugendstudien versprühen den Hauch von freier Jugendforschung,“ brachte ein kritischer Journalist unsere gelebte Praxis der freien Forschung anerkennend auf den Punkt. Merci!

 

Murphy´s Law begleitete uns weiter hartnäckig

Murphy´s Law holte uns in der Projektumsetzung das eine oder andere Mal noch ein: Die Grippewelle im Februar etwa dezimierte die Anzahl der zu befragenden Jugendlichen, die das Krankenbett hüten mussten, was für uns zu erheblichem Mehraufwand führte. Bei manchen Themen entging uns trotz guten Teamworks die eine oder andere Frage, die wir noch gerne gestellt hätten. Das werden wir bei der nächsten Jugendstudie sicher nachholen! Nichts konnte uns jedoch mehr abhalten, die Datenerhebung und die Auswertung auf die Zielgerade zu bringen.

 

# generation 2017 entstand über den Dächern von Graz

Mit Bernd Hecke, Ulrich Dunst und Günter Pilch von der Kleinen Zeitung gelang mir schließlich über den Dächern von Graz – auf der Dachterrasse des schönen Styria Mediencenters – eine gute Vereinbarung für eine exklusive sechsteilige Serie in der Kleinen Zeitung. Die beiden Themen „Werthaltungen und Europabild“ stellten wir im Sinne von Fairness allen Medien im Rahmen einer PK unseres gesamten Projektkonsortiums am 14.7.2017 im Karmeliterhof vor. Die übrigen Themen bekam die Kleine Zeitung exklusiv, um das erhobene Jugendbild an die große Leserschaft der Kleinen Zeitung umfangreich und differenziert zu berichten. Wir waren sehr beeindruckt, mit welchem Engagement das Team der Kleinen Zeitung die Interviews mit Jugendlichen bei uns im Karmeliterhof führte und aus einer eher „trockenen Zahlenmaterie“ ein lesens- und sehenswertes Bild der steirischen Jugendlichen skizzierte, das Licht- und Schattenseiten jugendlicher Lebenswelten fokussiert. Als der sechste und letzte Teil der Serie #generation 2017 in der Kleinen Zeitung erschienen war, wussten wir: Murphy´s Law konnten wir erfolgreich entzaubern! Nun wartet die Regionexttour der 5. Steierischen Jugendstudie auf uns, um die Ergebnisse ins Gespräch mit Politik, Verwaltung, Wirtschaft, Medien, NGOs und BürgerInnen zu bringen.[3] Christian Ehetreiber

 

[1] Die 5. Steirische Jugendstudie ist ein Gemeinschaftsprojekt der überparteilichen ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus in Zusammenarbeit und mit Kofinanzierung des Ressorts für Bildung und Gesellschaft des Landes Steiermark, des Ressorts für Jugend und Familie der Stadt Graz, der AK Steiermark und der WK Steiermark realisiert. Der Landesschulrat für Steiermark unterstützte das Projekt bei der Datenerhebung an den steirischen Schulen. Befragt wurden 2.257 Jugendliche in 49 Schulen aller Schultypen (APS, AHS, BMHS und LBS) in Form einer Vollerhebung einzelner Schulklassen im Alterssegment von mehrheitlich 12 bis 20 Jahren. Die Jugendstudie wurde am 14.7.2017 mit allen Projektpartnern den Medien präsentiert. Ich möchte allen Mitwirkenden in der Arbeitsgruppe unseres Konsortiums herzlich danken für die respektvolle und sachliche Kooperation auf Augenhöhe: Werner Anzenberger und Uschi Strohmayer (AK Steiermark), Simone Harder, Ewald Verhounig und Franz Kremser (WKO Steiermark), Stefan Perschler und Alexandra Nagl (Ressort für Bildung und Gesellschaft des Landes Steiermark), Michael Wildling bzw. Doris Kirschner (Ressort für Jugend und Familie der Stadt Graz), Dietmar Vollmann (LSR Steiermark).

[2] Die Kritik richtet sich nicht nur an den zu oft beobachtbaren Interventionismus von Politik und Verwaltung, sondern auch an die Willfährigkeit mancher WissenschafterInnen, die sich vor jeden noch so dubiosen Karren ihrer Auftraggeber spannen lassen. Diese weit verbreitete Unsitte illegitimer Einflussnahmen ist Teil einer zunehmenden Käuflichkeit von Wissenschaft, einer gefährlichen Entdemokratisierung der Öffentlichkeit und Korruption gegenüber den Interessen der BürgerInnen als Steuerzahler.

[3] Honos cui honos! Unter diesem Motto möchte ich dem Projektteam meinen herzlichen Dank aussprechen:

Unserer Projektleitung Pt. Margarita Kastanara-Baumgartner MA und der Organisatorin der Befragung Mag. Bettina Schalk. Die BefragerInnen der 5. Steirischen Jugendstudie 2017 seien mit einem herzlichen Dankeschön für die engagierte Mitarbeit bei der Datenerhebung namentlich genannt: Seema Akbar; Maria Magdalena Beutle; Christina Ehetreiber; Eva Ehetreiber; Alexandra Hauer; Martin Hussa; Birgit Karacsony; Yara Katnik; Max Kölbl; Tamara Koppe; Bianca Kornfellner; Christina Mittmasser; Nicolas Paul; Karin Siener;

Foto: Bernd Hecke, Maria Kanizaj und Günter Pilch (Kleine Zeitung) nach den Interviews mit Jugendlichen der HLW Sozialmanagement der Caritas Graz