Frankreich wählt Europa!

Zum ersten Mal in der Geschichte der Fünften Republik ist es den Kandidaten der Sozialisten und der Konservativen Frankreichs nicht gelungen, die entscheidende Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten zu erreichen. Emmanuel Macron, Kandidat der liberalen Bewegung „En Marche!“ (Auf dem Weg), welche erst 2016 gegründet worden war, sowie die Rechtspopulistin des Front National, Marine Le Pen schafften es in die Stichwahl. Der Konservative François Fillon und der Linke Jean-Luc Mélenchon sowie weitere Kandidaten belegten im ersten Durchgang die hinteren Ränge. Der scheidende Präsident, Sozialist François Hollande hatte auf eine weitere Kandidatur im Vorfeld verzichtet.

 

Niedrige Wahlbeteiligung

Die Stichwahl am 7. Mai 2017 wies die niedrigste Wahlbeteiligung seit 1969 aus, nur ungefähr 75 Prozent der Franzosen nahmen ihr Recht auf eine Stimmenabgabe wahr. Die restlichen 25 Prozent ersparten sich den Gang zur Wahlurne. Weitere 4 Millionen Wahlberechtigte, in Summe etwa 12 Prozent der Wahlstimmen, wählten ungültig.

 

Ideologische Gegensätze

Die ideologischen Gegensätze der beiden Kandidaten könnten größer nicht sein. Auf der einen Seite der aufstrebende, europafreundliche Macron, welcher bereits unter der Regierung Hollande das Amt des Wirtschaftsministers innehatte und federführend mit Premierminister Manuel Valls das „El Khomri“-Gesetz durchsetzen konnte, ein Gesetz das die Arbeitsrechte neu formuliert. Diese Arbeitsrechte möchte Macron auf jeden Fall weiterreformieren. Großen Handlungsbedarf sieht er ebenso im Bereich Sicherheit und öffentliche Investitionen.

 

Auf der anderen Seite dagegen steht die rechtspopulistische, europaskeptische Vorsitzende der Front National, welche die Europäische Union für die derzeitige wirtschaftliche Schieflage Frankreichs verantwortlich zeichnet. Der französische Staat müsse dringend Reformen einleiten, Le Pen plädiert in ihrem Wahlprogramm ganz offen für einen Ausstieg Frankreichs aus der EU. Darüber hinaus möchte sie die Euro-Währung abschaffen und den Franc als nationale Geldwährung wiedereinführen lassen. Das Thema Einwanderung, so vermuten Wahlbeobachter, wird nicht nur im Wahlkampf eine große Rolle spielen, Le Pen möchte laut eigenen Aussagen die legale wie illegale Einwanderung stoppen lassen.

 

Klarer Sieger nach Punkten

Emmanuel Macron hat die Präsidentschaftswahl schließlich mit einer Zweidrittelmehrheit klar für sich entschieden. Er wird somit als achter und gleichzeitig jüngster Präsident der Fünften Republik sein Amt antreten. Auch wenn der Jubel vor dem Louvre in Paris groß war, weil das undenkbare Szenario einer rechtspopulistischen Machtergreifung verhindert werden konnte, insbesondere vor dem Hintergrund des derzeit ausgerufenen Ausnahmezustandes und den damit verbundenen Kompetenzerweiterungen des Präsidentenamtes: Auf den neuen Präsidenten wartet eine Mammutaufgabe. Er muss das gespaltene Land einen,  der Wirtschaft Wachstumsanreize verschaffen und Initiativen setzen, die der hohen Arbeitslosigkeit, besonders unter Jugendlichen, entgegenwirken.

Skeptische Bevölkerung

Das Erbe Hollandes wird kein leichtes sein. Laut einer kürzlich durchgeführten Umfrage des Instituts BVA im Auftrag der Wirtschaftszeitung „La Tribune“ stehen 57 Prozent der Befragten einem möglichen wirtschaftlichen Aufschwung skeptisch gegenüber. Gerade einmal 40 Prozent sehen in der Umsetzung bisheriger wirtschaftlicher Konzepte, an denen auch der neu gewählte Präsident beteiligt gewesen ist, eine Chance auf wirtschaftliche Verbesserungen für das Land.

 

Bevorstehende Parlamentswahlen am 11. und 18. Juni

Der designierte Präsident braucht Macht, um seine Vorstellungen umsetzen zu können. Im Juni finden die dafür richtungsweisenden Parlamentswahlen statt, bei denen sich in zwei Etappen herauskristallisieren wird, ob das Staatsoberhaupt eine parlamentarische Mehrheit für sich gewinnen kann oder ob sich dieser die Macht mit dem Premierminister teilen muss. Die daraus resultierende „Cohabitation“ könnte die Reformwilligkeit von Macron empfindlich beschränken, weil die Parteienlandschaft, so hat es sich im Wahlkampf gezeigt, relativ zersplittert ist.

Nach dem Wahlkampf ist vor dem Wahlkampf

Und so bleibt Emmanuel Macron etwas mehr als ein Monat Zeit, um möglichst viele seiner „En Marche!“- Kandidaten zu mobilisieren und diese in die Nationalversammlung zu bringen. Der Wahlkampf ist noch nicht zu Ende.

 

 

Weiterführende Links:

Standard, 8.Mai 2017

Standard, 8.Mai 2017

Presse, 8.Mai 2017

Tagesspiegel, 8.Mai 2017

Kurier, 8.Mai 2017

RP-Online, 8.Mai 2017

Eurotopics (Pressespiegel), 8.Mai 2017

Bundeszentrale für politische Bildung, 8.Mai 2017