Die ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus organisiert bereits seit 2007 das Projekt „Wir sind Graz 2.0“. Ziel des Projektes ist es, Volksschulen unterschiedlicher Bezirke miteinander zu vernetzen und eine gemeinsame Projektarbeit schon im Volksschulalter zu ermöglichen. Die schulübergreifenden Projekte haben einen interkulturellen sowie einen interreligiösen Schwerpunkt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei vor allem im Entdecken und Kennenlernen der in Graz vertretenen Religionsgemeinschaften.
Dieser Beitrag widmet sich der Frage:
Wenn man interreligiöse Projekte mit Kindern durchführt, worauf kommt es Ihrer Erfahrung nach an?
Wir leben in einem Land der Vielfalt. Menschen kommen aus den unterschiedlichsten Teilen der Welt, sprechen die unterschiedlichsten Sprachen und gehören unterschiedlichen Religionen an. Allen gemeinsam: Sie leben in Österreich.
Wir haben die Chancen zu nützen, einander gewaltfrei und vorurteilsfrei zu begegnen und die Möglichkeiten zu ergreifen:
– Sich gegenseitig kennen zu lernen
– Sich gegenseitig verstehen zu lernen
– Sich gegenseitig achten zu lernen
– Voneinander zu lernen
– Füreinander einzutreten
Fazit: „Es ist normal, dass wir verschieden sind!“
Interreligiöse Projekte mit Kindern setzen voraus, dass alle Beteiligten aktiv zusammen wirken und deren individuelle, kulturelle, religiöse und soziale Prägungen als wertvolle Ressourcen genutzt werden: Der Kinder, der Eltern, der Pädagoginnen und Pädagogen der schulischen Einrichtungen und des Teams der Projektverantwortlichen.
Interreligiöser Projekte mit Kindern haben meines Erachtens zum Ziel:
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Die Kinder in ihrer eigenen Identität zu stärken
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Den Kindern Erfahrungen mit Vielfalt zu ermöglich
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Gemeinsam gegen Unrecht und Diskriminierung aufzutreten
Interreligiöse Projekte mit Kindern können folgende Inhalte umfassen:
– Religiöse Feste mit allen Kindern gemeinsam
– Geschichten aus den Heiligen Schriften der Religionen vorlesen, erzählen und gemeinsames betonen
– Religiöse Einrichtungen mit allen Kindern besuchen
– Kreatives Gestalten
– Entwicklung eines „Ethik-Kodexes“: Förderung ethischen Verhaltens, Lösung von Konflikten, Steigerung einer ethischer Selbst-Wahrnehmung, Festlegung von Grundwerten, Anhebung des Vertrauens, Ermutigung zu menschlichem Verhalten, regem Austausch und Gespräch
(Franz Handler, altkatholischer Pfarrer)
“Für mich kommt es bei interreligiöser Projektarbeit mit Kindern zunächst auf die eigene Haltung zu (Inter-)Religiosität an. Nur durch Bewusstmachung dieser kann man authentisch mit Kindern zu Interreligiosität arbeiten.
Interreligiöse Projekte brauchen eine offene und partizipative Arbeitsatmosphäre, damit Kinder Fragen stellen und sich aktiv einbringen können. Konkrete Anknüpfungspunkte zur eigenen Lebensrealität von Kindern sind nötig. Es ist wichtig, den Kindern konkrete Praxisformen verschiedener Religionen durch eigenes Erleben näher zu bringen. Stereotypen sollen dabei nicht verstärkt, sondern aufgelöst werden, um das Verständnis für andere Religionen und ein solidarisches Miteinander zu ermöglichen.”
(Stephanie Schebesch, Bildungsreferentin der Katholischen Jungschar Steiermark)
“Interreligiöse Projekte sind wichtig für das gute Miteinander der Religionsgemeinschaften. Meiner Erfahrung nach sollte dabei jedoch eine Voraussetzung eingehalten werden: das Religiöse sollte stets sekundär sein und das Gemeinschaftliche an erster Stelle stehen. Die Begegnung auf Augenhöhe ist viel wichtiger, als das Diskutieren über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Konfessionen. In dieser Gemeinschaft darf und soll das „das Eigene“ aber nicht untergehen. Wir wollen keinen Einheitsbrei sondern eine Vielfalt in freundschaftlicher Einheit.”
(Dominik Knes, evangelischer Diözesanjugendreferent)
“Spiel, Neugierde, Selbsttätigkeit und eigene Begegnungserfahrungen bei interreligiösen Workshops führen dazu, dass Respekt und Achtung voreinander aufgebaut werden, voneinander gelernt wird, miteinander friedlich gelebt wird und vor allem Vorurteile, die unter Umständen in den Familien der TeilnehmerInnen vorhanden sind, konterkariert werden.”
(Asker Bassem, islamischer Religionslehrer)
Besonders wichtig ist es zu vermitteln, dass Religion das Leben bereichern kann. Das gemeinsame Anliegen der Religionen sollte es sein, Menschen zu ermuntern, frei, mutig und empathisch zu sein und sich spirituell, sozial, intellektuell zu entwickeln. Religionen sollen zur Verbesserung beitragen – Halt und Vertrauen vermitteln: in der individuellen Lebensführung, aber auch im sozialen Gefüge einer Gesellschaft. Bei aller zu respektierenden Unterschiedlichkeit der Religionen sollte das meiner Meinung nach das zentrale Thema sein. Und Kinder sollten in der Beschäftigung mit kindgerecht aufbereiteten religiösen Themen lernen, offen mit der Unterschiedlichkeit umzugehen, kritisch zu denken und dabei eine gute, respektvolle Diskussionskultur zu pflegen. Es ist nie zu früh, die Angebote und Vorstellungen der Religionsgemeinschaften auf das hin zu überprüfen, was sie für die persönliche und gesellschaftliche Lebenssituation an Gutem bereithalten. Das, was rückwärtsgewandt, ungerecht und mit einer aufgeklärten, um Gleichberechtigung bemühten Gesellschaft unvereinbar ist, sollte kritisch betrachtet und nicht einfach hingenommen werden – das empfiehlt sich für alle Kinder und besonders für Mädchen.
(Claudia Unger, Institutsleitung Afro-Asiatisches Institut Graz)
„Man kann nur lieben, was man kennt.“ Dieser Satz, der dem heiligen Thomas von Aquin zugesprochen wird, fällt mir als erster im Zusammenhang mit dem Projekt „Wir sind Graz 2.0“ ein. Wir können nicht früh genug damit beginnen, mit Kindern über ihre eigene Kultur und Religion und die der Klassenfreunde zu reden. Kindern ist die besondere Gabe geschenkt, mit großer Offenheit und mit Interesse auf andere zuzugehen. Dabei sind nicht Vorurteile vorherrschend – wie oft bei uns Erwachsenen – sondern vielmehr die Neugierde. Kinder erleben dabei: was – aber vor allem – WEN wir kennenlernen, ist eine Bereicherung für unser Leben und die Gesellschaft. Zu diesem Vorhaben wünsche ich dem Projekt von Herzen ein gutes Gelingen.
(Diözesanbischof Dr. Wilhelm Krautwaschl)