Gelem, gelem! – Internationaler Tag der Roma und Sinti

 

„Oh, Roma, es war ein schwerer Weg,

den wir gegangen sind auf dieser Welt.

Mit Wagen und mit ärmlichen Zelten,

mit Tränen und mit Schmerzen“,

 

heißt es in einer Strophe der internationalen Roma-Hymne „Gelem, gelem lungone dromesa“. Am heutigen Tag, dem 08.04., wird weltweit der Internationale Tag der Roma und Sinti gefeiert, der 1971 vom Komitee der International Romani Union festgesetzt wurde und bei dem auch Nationalhymne und die Flagge der Roma-Gemeinschaft eingeführt wurden. Der Tag dient auch dazu, dem Porajmos (dt.: das Verschlingen) zu gedenken, dem Genozid der Volksgruppe im 2. Weltkrieg, dem an die 500.000 Roma und Sinti zum Opfer fielen. Auch heute sind Roma und Sinti europa- und weltweit Diskriminierung und sozialer Benachteiligung ausgesetzt und leben am Rande der Gesellschaft in eigenen Stadtvierteln, Slums oder Notunterkünften, werden von Schulbildung, Gesundheitsversorgung, am Arbeits- und Wohnmarkt systematisch ausgegrenzt und sehen sich mit rassistischen Übergriffen und Diskriminierungen konfrontiert.

Vom Wahrsagen und Stehlen

„Anziganismus“ ist der Fachbegriff für die Einstellung, die dahinter steht. Dieser Begriff bezieht sich nicht nur auf Diskriminierungssituationen und gewalttätige Übergriffe gegen Roma und Sinti, sondern umfasst auch jahrhundertelang tradierte ideologische Haltungen, die diesen Handlungen und Strukturen zugrunde liegen. Antiziganismus zeichnet sich aus durch negativ besetzte Vorurteile, welche die menschenunwürdige Herabsetzung, Wahrnehmung und Bezeichnung der Volksgruppe als „Zigeuner“ verstärken. Die verschiedenen Klischees das vermeintliche Betteln und Stehlen, Wahrsagen und Musizieren, das nomadische Umherziehen, die Freiheitsliebe, das „schmutzig und arbeitsscheu Sein“ sowie ein Hang zur Kriminalität werden alltäglich in Politik, Medien und am Stammtisch reproduziert.

Roma und Sinti müssen der ihrem eigenen Selbstverständnis nach „anständigen“ Bevölkerung als das personifizierte „Andere“ herhalten, das sich über gängige und geltende kulturelle Normen und Werte hinwegsetzt. Zur gleichen Zeit dienen sie jedoch auch als Projektionsfläche für Sehnsüchte und Wünsche der Mehrheitsgesellschaft durch ihr vermeintlich „lustiges Zigeunerleben“ und die romantisierten Vorstellungen vom ungebundenen, freien und naturverbundenen Dasein der rassigen Frauen und glutäugigen Männer.

Antiziganismus findet sich dabei nicht nur bei neonazistischen Gruppierungen, sondern ist in sehr weiten Teilen der europäischen Gesellschaften fest verankert.

Antiziganismus Report

Das Romano Centro in Wien veröffentlichte im Dezember 2013 erstmals einen Antiziganismus Report mit 82 Vorfällen gegen Roma und Sinti in Österreich, in welchen Angehörige der Volksgruppe diskriminiert, stigmatisiert und angegriffen wurden, sei dies am Arbeitsplatz, in der Schule oder seitens der Politik und in Medien und Internet. Die Dunkelziffer ist jedoch weit höher und die dokumentierten Fälle stellen nur einen Bruchteil dessen dar, was in der Realität tatsächlich vorkommt. Schilder wie „Wir verkaufen den Zigeunern absolut nichts mehr“ und „Kein Platz für Zigeuner“ oder die Übergriffe in Bischofshofen, wo über das Internet offen zur Gewalt aufgerufen wurde, sind dabei nur einige der Vorfälle, die Eingang in den Bericht fanden.

Roma und Sinti werden seit 1993 als Volksgruppe in Österreich offiziell anerkannt und es gibt zahlreiche Bestrebungen, diese politisch und gesellschaftlich stärker zu verankern. In der breiten Öffentlichkeit sind sie trotzdem noch weit davon entfernt, Anerkennung zu finden und auch in Österreich haben Roma und Sinti tagtäglich unter Diskriminierung und Benachteiligung zu leiden. Das zeigen die dokumentierten Fälle im Bericht. Antiziganismus ist ein Thema, für das es hierzulande und europaweit noch viel zu wenig Sensibilisierung gibt.

In weiten Teilen der Bevölkerung herrscht Unwissen über Roma und Sinti bzw. das, was viele Leute zu wissen meinen, gehört in den Bereich stereotyper „Zigeunerbilder“, die sich in Politik und Medien finden und die permanent dieselben Bilder von Roma als „Problemfälle“ aufzeigen. In der Bürgerrechtsbewegung der Roma und Sinti stehen vor allem die Dekonstruktion dieses Zigeunerbildes, die Aufhebung der Bevormundung durch staatliche Einrichtungen und die Pflege kultureller und sprachlicher Traditionen im Vordergrund. Dabei geht es keineswegs um eine Sonderbehandlung oder Sonderrechte, sondern schlicht und ergreifend um die Behandlung und Respektierung als gleichberechtigte Bürgerinnen und Bürger und die tatsächliche Anerkennung als Volksgruppe – auch und gerade in der Bevölkerung.

Nähere Informationen, Workshops, Beratungen sowie Materialien erhalten Sie auf Anfrage bei der Beratungsstelle der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus auf www.argejugend.at oder https://facebook.com/argejugend und unter bianca.angerer@argejugend.at.

B.A.