WahlkartenwählerInnen stutzen dem „blauen Wunderbaum“ die Triebe

Den WahlkartenwählerInnen sei Dank: Sie stutzten die Triebe des „blauen Wunderbaumes“ auf ein akzeptableres Maß zurück. So rückte die SPÖ in der Steiermark bis auf 0,2% an die FPÖ heran, die ÖVP gewann bundesweit ein Mandat dazu, die Grünen gleich deren zwei. Als Fachstelle für Menschenrechtsbildung freut es uns ganz besonders, dass in der Menschenrechtsstadt Graz die Grünen nun mit respektablen 21,7% die Nummer 1 geworden sind, deutlich vor der FPÖ mit 19,7%. Als Jugendeinrichtung gratulieren wir auch den mit „Katapultstart“ ins Hohe Haus einziehenden Neos, die neben den Grünen und der KPÖ eine respektable Alternative für – vor allem junge – ProtestwählerInnen sind, die sich klar gegen Rassismus und Rechtsextremismus positionieren. Wir gratulieren den WahlkartenwählerInnen für diese wichtigen Akzentverschiebungen im Wahlergebnis und auch für die Verbesserung der Wahlbeteiligung auf nunmehr rund 75%, wobei die NichtwählerInnen dennoch leider die Nummer eins sind. Aus demokratiepolitischer Perspektive ist das Hohe Haus durch den Einzug der NEOS und der Liste Frank Stronachs bunter geworden.

http://orf.at/stories/2200573/2200576/


Den Reformkurs mit den BürgerInnen gestalten

Uns überraschte die ätzende Häme vieler Medien zur „blauen Mark“. Die mediale Argumentation ist freilich von gespaltener Zunge: Verheddern sich SPÖ und ÖVP wie auf der Bundesebene in parteipolitisches Gezänk und bringen keine Reformprojekte auf Kurs, dann ist von Reformstau und Stillstand die Rede. Regieren SPÖ und ÖVP wie in der Steiermark auf Basis eines gemeinsamen Programmes, ohne Hickhack und erzielen erste Erfolge, dann passt es den JournalistInnen auch wieder nicht. Man lese die gestrigen Medienberichte durch und entdecke die süffisante Schadenfreude, die durch den Blätterwald rauscht, gepaart mit der Besserwisserei des Neunmalklugs. Wir sind geneigt die Medien und die BürgerInnen zu fragen: Ja wie jetzt regieren? Großkoalitionäre Packelei mit Parteiengezänke nützt der FPÖ? Programmatische Reformpartnerschaft mit Konsensgeist in der Regierung ebenso? Fast scheint es so, als lebten wir tatsächlich in der Menasseschen Republik des Entweder-Und-Oder: Entweder Reformgeist und/oder Stillstand. Wir gehören zu jenen NGO´s mit volkswirtschaftlichem Hausverstand, welche die Reformpartnerschaft – Rettung der Steiermark vor einem Desaster a la Kärnten und Salzburg bei Sicherung von hoher Beschäftigung – im Grundanliegen unterstützen, an manchen Punkten – zu schroffe Kürzungen im Sozialbereich, zu geringe Investitionen für den 2. Arbeitsmarkt oder beim Bettelverbot – jedoch stets energisch kritisieren! Wir hoffen jedoch, dass unsere beiden Landeshauptleute Franz Voves und Hermann Schützenhöfer ihren Reformkurs und ihren Regierungsstil nicht verlassen, also nicht beim ersten „blauen Gegenwind“ einknicken! Denn ein Einknicken oder ein Rückfall ins „alte Streitmuster“ geriete schon 2015 bei den Landtagswahlen zum nächsten Desaster für beide Regierungsparteien. Mit den KritikerInnen stimmen wir jedoch darin überein, dass schmerzhafte Reformvorhaben einen ehrlichen und sachlichen Dialog mit den BürgerInnen als Grundlage haben müssen. Wenn Gemeinden, NGO´s und viele BürgerInnen manche Reformschritte als „Drüberfahren“ erleben, dann sollte das offene, ehrliche und dennoch zielstrebige Gespräch als Bringschuld der Regierenden an die BürgerInnen geführt werden. Das kostet ein wenig Zeit und Geld, doch das Resultat sachlicher Gespräche könnte eine Verbreiterung von Akzeptanz und Konsens für den Sanierungskurs sein und das Kernanliegen – Rettung der Steiermark – im Bewusstsein der BürgerInnen verankern.

 

Ein neuer Reformgeist setzt auf Vollbeschäftigung
Mit Budgetsanierung allein ist jedoch auf Dauer kein politischer Erfolg zu erzielen. Der blaue Erfolg gründet zu einem Großteil auf der kontinuierlichen Zunahme an Arbeitslosigkeit, prekärer Beschäftigung und Armut. Lag die Arbeitslosigkeit in Österreich zwischen 1960 und 1980 stets deutlich unter 100.000 Personen, so hat sich diese mittlerweile auf über 323.000 Arbeitssuchende mehr als verdreifacht, die Arbeitsplatzsicherheit hat sich durch Leiharbeit, zeitliche Befristungen und massive Rationalisierungen drastisch reduziert. Da hilft es den Regierenden nicht, sich mit Hinweis auf EUROSTAT selbst zum europäischen Musterschüler zu erklären, denn das lassen sich die Menschen ohne Arbeit inklusive ihrer Familienmitglieder aus verständlichen Gründen nicht einreden. Ein rot-weiß-rotes und ein grün-weißes Reformprojekt, das diesen Namen verdient, wird also eine Politik der Vollbeschäftigung über massive Investitionen in den 1. und 2. Arbeitsmarkt mit einem branchenübergreifenden Mindestlohn von zumindest 1.300,– netto wieder ernsthaft in Angriff nehmen müssen, ebenso die Einführung einer voraussetzungsfreien Mindestsicherung für all jene, die nicht arbeiten können oder wollen von zumindest Euro 1.000,–pro Monat. Allein diese beiden Maßnahmen würden das blaue WählerInnenspektrum – wie in den 1970er Jahren – sofort zumindest halbieren. Mit einem progressiven Vermögenssteuersatz von 2% bis 20% ließe sich dieser „New Deal“ bestens finanzieren. Christian Ehetreiber

http://www.ams.at/_docs/001_monatsbericht.pdf