Die Bildungsreform den selbst ernannten Eiferern entreißen!

Geht es Ihnen auch so? Sie können das Gesudere und Geraunze sogenannter BildungsexpertInnen einfach nicht mehr hören? Sie haben die Nase voll von undifferenziertem Lehrerbashing, wohlfeilen Slogans über Lehrplanentrümpelung, von PISA-Tests und Schulrankings? Und Sie haben selbst dann die sprichwörtliche Schnauze voll, wenn Sie persönlich für eine umfassende Reform des Bildungswesens eintreten, das durch einen deutlich zu vermehrenden Mitteleinsatz zu mehr positiven Auswirkungen auf ein qualitätsvolles Lernklima an Österreichs Schulen führt?

Zweierlei Abgrund: Krankjammern und Gesundbeten der Schule

Wir können die Litaneien an Freilichkeiten zum Thema „Bildungsreform“, das Krankjammern der Schule ebenso wie deren Gesundbetungen und die ewig gleiche Wiederkehr derselben Bildungsfloskeliade und Schulreformphraseologie nimmer hören. Dazu dann noch die meist grauschädeligen sogenannten BildungsexpertInnen, die stets vorgeben, als einzige zu wissen, wie das Bildungssystem zu reformieren ist, obwohl sie bisweilen ihr ganzes Leben lang nicht einmal ihren eigenen Kindern etwas beibringen konnten. All diesen selbst ernannten WichtigtuerInnen, die parteiübergreifend ein abgrundtiefer LehrerInnenhass, eine undifferenzierte Gewerkschaftsfeindlichkeit und eine hundsföttische Wirtschaftsergebenheit eint, gewürzt mit den so beliebten EU- und OECD-Vergleichen, seien ein paar Anregungen ins Stammbuch geschrieben:

  • Die aktuelle Debatte gleicht dem Bonmot: „Als wir das Ziel aus den Augen verloren hatten, erhöhten wir die Schrittfrequenz!“ Die öffentliche Debatte kreist meist nur  um Strukturen, Prozesse, Ressourcen. Die Ziele von Bildung werden kaum ernsthaft diskutiert, höchstens auf zweckrationale Zurüstung der Kinder auf wirtschaftliche Erfordernisse reduziert. Bildung ist jedoch mehr als (selbstverständlich notwendige) Qualifizierung für die Arbeitswelt!
  • Jede tragfähige Schulreform wird vernünftiger Weise das Gelingende unseres Schulwesens im Sinne von Empowerment der Öffentlichkeit mit Stolz präsentieren! Wäre unser Bildungswesen so inferior, wie es die Kassandras durch die Medien posaunen, wie erklärte sich unser Wohlstand, wie erst die österreichische Top-Ten-Platzierung unter allen Staaten der Welt?
  • Eine echte Schulreform nimmt die gesamte Schulpartnerschaft – Kinder, Eltern und LehrerInnen – ernst, bezieht ihre Wünsche und ihre Expertise ein, stärkt eine Kultur des Lernens, der Entwicklung und der demokratischen Schulentwicklung und holt sich Hilfe und Unterstützung bei Bedarf von außen. Voraussetzung und Ziel dafür ist eine demokratische, entbürokratisierte und viel obrigkeitsfreiere Bildungskultur in unserem Lande, die auf dem Prinzip „Vertrauen führt“ gründet.
  • Die Vermittlung von Wissen, Kompetenzen und die Einübung von dringend nötiger Herzensbildung brauchen ein Klima des Vertrauens, des Experimentierens und des Sich-Einlassen-Dürfens, keine obrigkeitlich-hierarchischen Rituale von Pseudobeteiligung, Pseudoautonomie und Pseudodemokratie. Die Schule ist kein Song-Contest und kein „Österreich sucht den Superstar“.
  • Die Phraseologen der Bildungsdebatte sollten bedenken, was ihre – dem „medialen Beifall und der narzisstischen Selbstüberschätzung“ geschuldeten – Statements bei LehrerInnen, Eltern und Kindern anrichten. Die Reformfreude in den Lehrerzimmern wird sicher nicht durch ein permanentes mediales Trommelfeuer entfacht werden!

Wir wünschen uns von einer jedenfalls notwendigen Bildungsreform, dass sie sich aus dem Würgegriff der selbst ernannten Phrasendrescher und Parolenschmiede befreit, innerhalb der Schulpartnerschaft und in der gesamten Gesellschaft über Ziele und Wege von Bildung mit starken Argumenten streitet. Kurzum: Unser Bildungssystem ist reif für einen „Schuss an kreativ-anarchischer Innovation“, die getragen ist von den AkteurInnen vor Ort. Eine grundlegende Bildungsreform sollte mit LehrerInnen, Eltern und Kindern in Angriff genommen werden, nicht ohne oder gar gegen sie!

Christian Ehetreiber

Zum Weiterlesen hier ein Link zum Begutachtungsentwurf des BMUKK zum neuen Lehrerdienst- und -besoldungsrecht