Vom Untertanen zum Menschen mit Rechten. Die Entwicklung der Menschenrechte

Der 10.12. ist der internationale Tag der Menschenrechte. Dieses Datum ist nicht zufällig gewählt. Denn am 10.12.1948, also vor genau 70 Jahren, verabschiedeten die Vereinten Nationen die UN – Menschenrechtskonvention. In Mitteleuropa ist dieser Tag heute vielen nicht wichtig. Für was braucht es eine Konvention, wir können unsere Religion, unsere Tageszeitungen frei wählen, können in Streitigkeiten Gerichte befragen und können jeden Tag auf Facebook und Co unsere Meinung kundtun.

Europa ist, was die Menschenrechte betrifft, tatsächlich eine Insel der Seligen. In anderen Regionen der Welt, haben die Menschen bei weitem nicht so viele Freiheiten wie wir in Europa, was nicht zuletzt ein Blick auf den verheerenden Krieg im Jemen beweist. „Der arabische Raum braucht eben noch Zeit“, wird dann oft gesagt. Es ist jedoch noch nicht lange her, dass Menschenrechte auch in Europa mit den Füßen getreten wurden. Als Beispiel sei das Massaker von Srebrenica 1995 angeführt. In diesem kleinen bosnischen Ort wurden über 8300 Menschen getötet, weil sie der „falschen“ Religion angehörten. Menschenrechte sind also nichts Selbstverständliches. Dieses Bewusstsein zu schaffen, ist eines der Hauptanliegen unserer Arbeit. Dieses Bewusstsein wollen wir mit Schulprojekten, und Workshops auf eine unterhaltsame, spannende und informative Art und Weise schaffen. Denn Menschenrechte wurden über Jahrhunderte hinweg erkämpft.

Entwicklung der Menschenrechte

Betrachtet man die Geschichte, so wird klar, dass wir in Mitteleuropa einem Irrtum unterliegen, wenn wir denken, dass Menschenrechte etwas Natürliches sind. Die Menschen führten einen langen Kampf, bis sie ihre Grundrechte endlich durchgesetzt hatten.

Der erste Schritt in Richtung Menschenrechte wurde mit der magna charta libertatum in Großbritannien gesetzt. 1215 wurden in diesem Dokument das erste Mal Freiheitsrechte von Einzelnen gegenüber den Herrschenden festgesetzt.

Auch die im 14. und 15. Jh. in Europa beginnende Reformation setzte einen Schritt in Richtung Menschenrechte. Der von Martin Luther begründete Protestantismus sah Religion im Endeffekt als eine Privatangelegenheit an. Die katholischen Fürsten und die katholische Kirche, sahen darin natürlich einen nicht hinnehmbaren Machtverlust, wodurch es zu blutigen Religionskriegen kam. Diese Konflikte ließen sich auf dem Schlachtfeld nicht lösen. so kam es zum Augsburger Religionsfrieden im Jahr 1555, der einen neuen Grundsatz festsetzte: „cuius regio, eius religio“ (Wessen Herrschaft, dessen Religion). Von nun an hatten die Herrscher die „Freiheit“ über die Religion in ihrem Herrschaftsgebiet zu bestimmen. Für die Untertanen galt das freilich nicht. Sie mussten der gleichen Religion angehören, wie ihr Grundherr.

Dennoch führte die Reformation zu einer beginnenden Entflechtung von religiöser und politischer Ebene. Diese beginnende, leichte Trennung von Staat und Religion hat wiederum zur Bewegung der Aufklärung im 17. und 18. Jh. beigetragen. In der Aufklärung wurde in Europa das erste Mal darüber diskutiert, ob alle Menschen die gleichen Rechte haben sollten.

Eine Diskussion über Gleichheit der Menschen gab es auch während des Kolonialismus. Die Diskussionen drehten sich aber vor allem darum, ob Menschen aus den Kolonien überhaupt als Menschen angesehen werden können, oder aufgrund ihrer einfachen Kultur eher als „Primaten“ gelten.

Blutige Revolutionen als weiterer Impuls der Menschenrechte.

Einen weiteren Impuls erhielten die Menschenrechte ausgerechnet durch blutige Revolutionen. Den Anfang machte die „glorious revolution“ in England 1689. Mit ihr wurde eine konstitutionelle Monarchie eingeführt, die in Großbritannien im Endeffekt heute noch existiert. Ein Teil dieser Bill of Rights waren auch die Rechte von Menschen.

“We hold these truths to be self-evident, that all men are created equal, that they are endowed by their Creator with certain unalienable Rights, that among these are Life, Liberty and the pursuit of Happiness”[1] Dieses Zitat ist wohl eines der zentralsten und bekanntesten der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Die Unabhängigkeitserklärung wurde 1776 am Ende des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges verfasst, in dem die britischen Kolonien in Amerika ihre Unabhängigkeit vom Mutterland erkämpften. Sie gilt zwar als wichtiger Schritt hin zu den Menschenrechten, zeigt aber gleichsam auf, wie weit Theorie und reales Leben voneinander entfernt sein können. Neben dem „Recht auf Freiheit“ existierte in Amerika bis ins Jahr 1863 die Sklaverei. Weitere 100 Jahre dauerte es, bis durch das Bürgerrechtsgesetz die Diskriminierung aufgrund von „Rasse, Hautfarbe, Religion oder nationaler Herkunft” für ungesetzlich erklärt wurde.“[2]

Einen markanten Einschnitt in die bisherige Herrschafts- und somit auch Sozialstruktur bedeutete die Französische Revolution. Im Zuge der Umbrüche wurde 1789 auch die „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ formuliert. „Libertè, Egalitè, Fraternitè“ (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) sind die Schlagworte, die sich bis in die Gegenwart als Umschreibung für Menschenrechte halten. Libertè und Egalitè existierten zur damaligen Zeit aber nur mit dem Begriff „Fraternitè“. So blieben Frauen von Bürgerrechten und der Teilnahme an Wahlen weiterhin ausgeschlossen.

In Österreich fehlten diese großen Revolutionen. Daher wurden Menschen- bzw. Bürgerrechte erst relativ spät formuliert. Zwar gab es beispielsweise unter Josef II. eine Religionsfreiheit, jedoch kann man nicht von Menschen- bzw. Bürgerrechten sprechen, weil sie sich nicht gehalten haben. Erst mit der bürgerlichen Revolution von 1848 wurden diese Bürgerrechte formuliert, 1867 im Staatsgrundgesetz festgeschrieben. Das war bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges auch der Status Quo. Der Erste Weltkrieg jedoch machte die Fortschritte Großteils zu Grunde. Gegen Ende des Krieges besann man sich wieder auf diese erkämpften Bürgerrechte. So formulierte Wilson in seinem 14-Punkte Programm für das Nachkriegseuropa auch das „Selbstbestimmungsrecht der Völker“. Demnach sollten die Völker, speziell jene, die während des Krieges innerhalb der k.u.k. Monarchie gelegen sind, selbst bestimmen, welchem Staat sie angehören wollen.

Die UN-Menschenrechtskonvention 1948

Die grauenhaften Verbrechen des Zweiten Weltkrieges führten dazu, dass die Vereinten Nationen an einer neuen Vereinbarung für Menschenrechte arbeiteten. Die UN-Menschenrechtskonvention wurde am 10.12.1948[3] von 48 Staaten unterzeichnet. Was jedoch war der Unterschied zu den bisherigen Menschenrechtsabkommen, die kurz beleuchtet wurden?

Der erste, große Unterschied ist, dass alle Abkommen bis zur UN-Menschenrechtskonvention von Einzelstaaten erlassen wurden. Menschenrechte lagen also im Ermessen des jeweiligen Staates. Das änderte sich mit der UN-Menschenrechtskonvention.

Der zweite wichtige Unterschied ist, dass alle bisherigen Abkommen nur für bestimmte Schichten bzw. Gruppen galten. Sie galten nur für Weiße, nur für Männer und nur für Angehörige bestimmter Nationen. Die Probleme des letzten Punktes zeigten sich schon kurz nach dem Ersten Weltkrieg. Präsident Wilson setzte in Österreich die s.g. „Miles-Kommission“ ein, die die Grenzen des neuen Staates aufgrund des Selbstbestimmungsrechts der Völker festlegen sollte . General Miles bereiste das Land und suchte nach einer natürlichen Nationengrenze. In Südkärnten, das vom SHS-Staat wie auch von Österreich beansprucht wurde, war eine „Nationengrenze“ nicht festzustellen. Zwar sprach ein Großteil der Leute slowenisch, wodurch sie zuerst als Zugehörige der slawischen Nation betrachtet wurden. Die Menschen definierten sich selbst jedoch als Zugehörige von Österreich und wollten bei Österreich bleiben.

Die UN-Menschenrechtskonvention gilt daher nicht mehr für bestimmte Schichten, sondern für jeden einzelnen Menschen. Jeder Mensch, unabhängig seiner Herkunft, Sprache und Religion hat die gleichen Rechte.

Durch die Schaffung des Gerichtshofes für Menschenrechte sind diese auch überprüfbar und einklagbar. Wobei das natürlich eine komplizierte Sache ist. Denn nicht alle Staaten sind der Menschenrechtskonvention beigetreten und sehen sich daher auch nicht an die Urteile des Gerichtshofes gebunden.

Was tun?

Die Beschäftigung mit der Entwicklung der Menschenrechte zeigt, dass sie nicht als selbstverständlich angesehen werden können. Was kann man also tun, damit die Menschenrechte den Status erlangen, den sie verdienen? Zunächst sollte man selbst als gutes Beispiel voran gehen, die Menschenrechte leben und auch verteidigen. SchülerInnen sollte man auf den Weg geben, dass Menschenrechte nichts Selbstverständliches sind. Daher ist auch die Arbeit der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus so wichtig. In allen unseren Schulprojekten und in vielen Workshops sind Menschenrechte ein zentrales Thema. Dabei geht es nicht nur um herunterbeten der Menschenrechte, vielmehr soll ein Bewusstsein für die Wichtigkeit und Notwendigkeit von Menschenrechten geschaffen werden.

Sollten Sie Interesse haben, klicken Sie sich einfach mal durch unsere Homepage und entdecken Sie dabei, wie abwechslungsreich Menschenrechte thematisiert werden können. Für Fragen stehen wir Ihnen auch jederzeit gerne zur Verfügung!

Christoph Hochmüller

[1] Zitiert nach: http://www.demokratiezentrum.org/themen/demokratiedebatten/kampf-der-kulturen/geschichte-der-menschrechte.html

[2] Ebnd.

[3] Wortlaut siehe: https://www.ohchr.org/en/udhr/pages/Language.aspx?LangID=ger