Unter der Schlagzeile „Herzlich willkommen im Bettlerparadies Graz“ eröffnete die Kronen Zeitung am 14.4.2013 mit Zitaten von BGM Nagl und Stadtrat Eustachhio eine doppelseitige Hetzkampagne gegen bettelnde Menschen in der Menschenrechtsstadt Graz. Der Beitrag ist ein Ausbund an diffamierender Meinungsmache und Polemik, ohne für alle Behauptungen auch nur einen einzigen Beleg oder gar Beweis anzuführen. Da ist die Rede von „aggressiven Bettlern“, die „auf Autos an roten Ampeln zu[stürmen]“. Sie „verschenken Blumen an Passanten, um dann kassieren zu wollen, oder täuschen Behinderungen vor“, was die Krone gleich in „Stürmer-Manier“ mit Bildern von behinderten Bettlern suggeriert, untertitelt mit den Kommentaren: „Behindert? Wohl kaum…!“ und „Sehr fragwürdige Behinderung“.
Der Krone-„Beweis“ – BKA SPRICHT von 1.500 organisierten Bettlern in Österreich
Der hetzerische Text gipfelt kronegemäß in der unbewiesenen These „von organisierter Bettlerkriminalität nach Mafia Manier“. Belegt wird diese Behauptung folgendermaßen: „Das österreichische Bundeskriminalamt sprach erst kürzlich von 1500 organisierten Bettlern in Österreich – großteils aus rumänischen Roma-Clans“. Wir lernen von Krone Redakteur Gerald Richter folgendes: Es genügt offenkundig, wenn das BKA von „organisierten Bettlern in Österreich spricht (!)“, da braucht es dann keine Beweise oder gar Urteile, nein, da genügt es, wenn Polizisten über organisiertes Betteln sprechen. Dass die abgebildeten bettelnden Menschen gar nicht zu Wort kommen und mit niederträchtigsten Anwürfen in ihrer Menschenwürde verletzt werden, das kümmert Herrn Richter ohnehin nicht. Hauptsache er kann dann in seinem hasstriefenden Kommentar noch gegen „die Blauäugigkeit sogenannter Gutmenschen und Politiker“ polemisieren, indem er die bettelnden Menschen sogar „mit dem radikalen Islam in Graz“ vergleicht. Von einem „audiatur et altera pars“ – man möge auch die andere Seite hören, davon hat Herr Richter noch nie gehört. Die Meinungsmache ist ihm wichtiger als die sachliche Berichterstattung!
Völliges Ignorieren des VfGH-Erkenntnisses und der Menschenrechtsstadt?
Wir haben vor einigen Wochen unseren Grazer Bügermeister Nagl in einem Facebook-Posting (und auch LH Voves) wegen der Anerkennung des VfGH-Urteil ausdrücklich gelobt, doch in der Kronen Zeitung verfällt unser Bürgermeister der Menschenrechtsstadt Graz leider wieder in sein uraltes Argumentationsmuster: „Genau vor dieser Entwicklung habe ich gewarnt. Und es wird eindeutig aggressiv gebettelt. Ich habe deswegen bereits mit der Polizei gesprochen.“ Und STR Eustacchio als Sicherheitstadtrat legt noch eins drauf, indem er die Ordnungswache angewiesen hat, „gegen aggressives Betteln vorzugehen“, und er fackelt nicht lange: „Aber wir brauchen ein neues Bettelverbot!“
Steirisches Menschenrechtsnetzwerk wird Widerstand leisten – VfGH-Erkenntnisse sind anzuerkennen!
Wir – das steirische Menschenrechtsnetzwerk – haben uns zu früh gefreut, als wir dachten, das VfGH-Urteil zur Aufhebung des steirischen Bettelverbotes führe zu einer Versachlichung der Debatte oder gar zu deren Beendigung. Wir fordern Bürgermeister Nagl und Stadtrat Eustacchio in deren Regierungsfunktion auf, das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes anzuerkennen! Überdies erinnern wir beide Stadtregierungsmitglieder daran, der Regierung einer Menschenrechtsstadt anzugehören, zu deren vornehmsten Verpflichtungen es gehört, keinesfalls gegen bettelnde Menschen vorzugehen, schon gar nicht in der von der Kronen Zeitung betriebenen einseitigen und verhetzenden Form! Wir werden den neuerlichen Beginn einer Hetzkampagne gegen bettelnde Menschen selbstverständlich nicht hinnehmen, sondern gemeinsam mit dem Menschenrechtsbeirat der Stadt Graz, den kritischen Medien in diesem Land und mit BürgerInnen der Zivilgesellschaft Widerstand gegen eine Neuauflage der Bettlerhetze leisten. Graz muss eine Menschenrechtsstadt bleiben, die Armut bekämpft, nicht die Armen! Die Grazer Stadtregierung hat überdies Erkenntnisse des VfGH anzuerkennen, nicht zu desavouieren! Ch. E.