Rechtsstaat besiegt Rechtspopulismus

Bettelnde Menschen als Tourismus- und Geschäftsstörung?

Das nunmehr aufgehobene steirische Bettelverbot war jenem konsumvertrottelten Grazer Innenstadtmob und dem Boulevard geschuldet, die sich im Kauf- und Konsumrausch durch die bloße Anwesenheit armer Menschen provoziert fühlen. Flugs waren die bettelnden Menschen als „Geschäftsstörung“, als „Sicherheitsgefährdung“, als „Gefahr für den Tourismus“, als „Bettlerproblematik“ und als „Sündenböcke für Politikversagen“ entworfen. Mit Jörg Haider hat sich in Österreich diese Sündenbock-Politik in der gesellschaftlichen Mitte etablieren können. Der politisch-mediale Blick fokussiert seither nicht mehr Strukturen, Prozesse und Systeme, sondern er identifiziert mittels reaktionärer Stammtisch-Politik Sündenböcke und stellt sie an den Pranger: Ausländer, Sozialschmarotzer, Muslime, Asylwerber oder eben bettelnde Menschen. Die öffentliche Aufgeregtheit steht freilich in überhaupt keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung des Themas „Betteln“. „Wenn die bettelnden Roma unser einziges Sicherheitsrisiko wären, so hätten wir von der Polizei in Graz nur noch Innendienst,“ offenbarte mir ein ranghoher Offizier der Polizei. Doch woher rührt dieses Ressentiment gegenüber bettelnden Menschen? Wie lässt es sich mit sozialdemokratischen wie auch mit christlich-sozialen Weltbildern vereinbaren, nicht die Armut zu bekämpfen, sondern gegen die Ärmsten vorzugehen, die nur um milde Gaben bitten? Und wie kann ein Bürgermeister einer Menschenrechtstadt ein Bettelverbot rechtfertigen, ohne diesen inneren Widerspruch zwischen Menschenrechtsstadt und Bettelverbot zu sehen?

 

Bettelnde Menschen als Spiegel für eine zutiefst ungerechte Welt

Die konsumvertrottelten BürgerInnen einer Glitzer- und Glamourwelt, das parabelhafte Kurfürstendamm-Biotop für Hybris im Geiste von Shakespeares König Midas, wollen bei ihren Shopping-Safaris durch Europas feinste Adressen nicht konfrontiert werden mit den „vielen Gesichtern der Armut“. Schon gar nicht mit den evidenten Zusammenhängen zwischen einer immer ungerechteren Verteilung des Wohlstandes und der permanenten Zunahme von Armut, Arbeitslosigkeit und Prekarität. Der im öffentlichen Raum um Spenden bittende bettelnde Mensch ist für den seinsvergessenen Shopping-Bürger somit Provokation, Ärgernis und Projektionsfläche für eigene Charakterdefizite in einem Stück, gewissermaßen ein Sündenbock für eh fast alles! Der Anblick der Armut von Angesicht zu Angesicht könnte ein Spiegel für Selbsterkenntnis sein, ein Stachel im Fleisch der Wohlhabenden, eine sozialpolitische Initialzündung, um den unermesslichen Reichtum Europas fairer aufzuteilen. Doch er ist der Fehdehandschuh, der das neue Biedermeier des rauschhaften und ungestörten Konsumierens herausfordert und zum Ausgrenzen um jeden Preis verleitet.

 

Betteln im liberalen Geist eines aufgeklärten Europas tolerieren

Natürlich ist Betteln nur eine „buchstäbliche Notlösung zur Minderung der bedrückendsten existenziellen Not“, kein beispielhaftes Modell für ein Leben in Menschenwürde. Doch eine liberale europäische Rechts- und Werteordnung muss in der Lage sein, nonkonformes, die Gesetze respektierendes Verhalten wie „Betteln“ zumindest zu tolerieren, wenn schon nicht zu akzeptieren. Selbstverständlich stimmen wir mit Bürgermeister Siegfried Nagls Position überein, dass die osteuropäischen Staaten zu einer menschenwürdigen, existenzsichernden Politik von der EU verdonnert werden mögen. Doch wir dürfen diesen überfälligen sozialpolitischen Kraftakt nicht auf Kosten der bettelnden Roma austragen, sondern über die europäischen Institutionen. Pfarrer Wolfgang Pucher, der diese Sicht ebenfalls teilt, weist zudem beharrlich darauf hin, dass wir den bettelnden Menschen, die bei uns anklopfen, hic et nunc helfen müssen und sie nicht auf den St. Nimmerleinstag vertrösten können. Denn das widerspräche dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Neuen Testament, der sofort und angemessen Hilfe leistet. Bettelverbote widersprechen aber auch den kodifizierten Ansprüchen einer Menschenrechtsstadt Graz ebenso wie der vom Land Steiermark ressortübergreifend verabschiedeten „Charta des Zusammenlebens in Vielfalt“. http://www.zusammenleben.steiermark.at/cms/beitrag/11562700/68684441

 

Reformpartnerschaft muss endlich Kante und Flagge zeigen für Menschenrechte

Die Reformpartnerschaft – wir wiederholen unsere bereits im Vorjahr publizierte wohlwollende Einschätzung – hat für unsere Steiermark viele kluge politische Entscheidungen getroffen, an deren Beginn die notwendige Einsicht erwuchs, dass die SPÖ und die ÖVP – miteinander für unser Land arbeiten müssen und das Landeswohl über Parteiinteressen zu stehen hat, will man unser Land nicht – wie in Kärnten geschehen – in den wirtschaftlichen Bankrott führen. Die Bundesregierung kann von unserer Landesregierung sachpolitisch alles lernen, umgekehrt wäre es eine Bernhardsche Fataltragödie! Für diese kooperative Form des Regierens für übergeordnete Landesziele gebührt unser ganzer Respekt und unsere Unterstützung!

 

Kein „Heulen mit den Wölfen des Rechtspopulismus“

Doch beim Thema „Betteln“ zog es die geschätzte Reformpartnerschaft vor, sich auf die Seite der rechtspopulistischen Alarmisten zu schlagen, anstatt sich – im Geiste der Menschenrechtsstadt Graz und im Geiste der landeseigenen „Charta des Zusammenlebens in Vielfalt“ – für gelebte Solidarität mit den Ärmsten zu verpflichten. Genau diesen Mut, das lehrt uns der Aufstieg des sogenannten dritten Lagers von Jörg Haider bis H. C. Strache, braucht es aber im politischen Wettbewerb mit den Rechtspopulisten. Die Reformpartnerschaft müsste – analog zu den notwendigen und mutig gestarteten Gemeindefusionen – auch beim Betteln Flagge und Kante zeigen, nicht Einknicken vor FPÖ, BZÖ, Grazer Innenstadtkaufleuten, Boulevardmedien und deren Leserbriefschreibern. Die Reformpartnerschaft darf nicht mit den „Wölfen des Rechtspopulismus heulen“, will sie mittelfristig nicht ihre eigene Glaubwürdigkeit aufopfern. Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiteten Bundeskanzler Kreisky weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose. Man möge nie die „kleinen Leute vergessen“, lautete ein grundsatzpolitisches Credo von Josef Krainer I. Beide Persönlichkeiten fänden eine Politik auf Kosten der Allerärmsten schlicht als Schande für ein sozialdemokratisches wie auch für ein christlich-soziales Weltbild.

betteln in graz

 

Bettelnde Menschen als Tourismus- und Geschäftsstörung?

Das nunmehr aufgehobene steirische Bettelverbot war jenem konsumvertrottelten Grazer Innenstadtmob und dem Boulevard geschuldet, die sich im Kauf- und Konsumrausch durch die bloße Anwesenheit armer Menschen provoziert fühlen. Flugs waren die bettelnden Menschen als „Geschäftsstörung“, als „Sicherheitsgefährdung“, als „Gefahr für den Tourismus“, als „Bettlerproblematik“ und als „Sündenböcke für Politikversagen“ entworfen. Mit Jörg Haider hat sich in Österreich diese Sündenbock-Politik in der gesellschaftlichen Mitte etablieren können. Der politisch-mediale Blick fokussiert seither nicht mehr Strukturen, Prozesse und Systeme, sondern er identifiziert mittels reaktionärer Stammtisch-Politik Sündenböcke und stellt sie an den Pranger: Ausländer, Sozialschmarotzer, Muslime, Asylwerber oder eben bettelnde Menschen. Die öffentliche Aufgeregtheit steht freilich in überhaupt keinem angemessenen Verhältnis zur tatsächlichen Bedeutung des Themas „Betteln“. „Wenn die bettelnden Roma unser einziges Sicherheitsrisiko wären, so hätten wir von der Polizei in Graz nur noch Innendienst,“ offenbarte mir ein ranghoher Offizier der Polizei. Doch woher rührt dieses Ressentiment gegenüber bettelnden Menschen? Wie lässt es sich mit sozialdemokratischen wie auch mit christlich-sozialen Weltbildern vereinbaren, nicht die Armut zu bekämpfen, sondern gegen die Ärmsten vorzugehen, die nur um milde Gaben bitten? Und wie kann ein Bürgermeister einer Menschenrechtstadt ein Bettelverbot rechtfertigen, ohne diesen inneren Widerspruch zwischen Menschenrechtsstadt und Bettelverbot zu sehen?

 

Bettelnde Menschen als Spiegel für eine zutiefst ungerechte Welt

Die konsumvertrottelten BürgerInnen einer Glitzer- und Glamourwelt, das parabelhafte Kurfürstendamm-Biotop für Hybris im Geiste von Shakespeares König Midas, wollen bei ihren Shopping-Safaris durch Europas feinste Adressen nicht konfrontiert werden mit den „vielen Gesichtern der Armut“. Schon gar nicht mit den evidenten Zusammenhängen zwischen einer immer ungerechteren Verteilung des Wohlstandes und der permanenten Zunahme von Armut, Arbeitslosigkeit und Prekarität. Der im öffentlichen Raum um Spenden bittende bettelnde Mensch ist für den seinsvergessenen Shopping-Bürger somit Provokation, Ärgernis und Projektionsfläche für eigene Charakterdefizite in einem Stück, gewissermaßen ein Sündenbock für eh fast alles! Der Anblick der Armut von Angesicht zu Angesicht könnte ein Spiegel für Selbsterkenntnis sein, ein Stachel im Fleisch der Wohlhabenden, eine sozialpolitische Initialzündung, um den unermesslichen Reichtum Europas fairer aufzuteilen. Doch er ist der Fehdehandschuh, der das neue Biedermeier des rauschhaften und ungestörten Konsumierens herausfordert und zum Ausgrenzen um jeden Preis verleitet.

 

Betteln im liberalen Geist eines aufgeklärten Europas tolerieren

Natürlich ist Betteln nur eine „buchstäbliche Notlösung zur Minderung der bedrückendsten existenziellen Not“, kein beispielhaftes Modell für ein Leben in Menschenwürde. Doch eine liberale europäische Rechts- und Werteordnung muss in der Lage sein, nonkonformes, die Gesetze respektierendes Verhalten wie „Betteln“ zumindest zu tolerieren, wenn schon nicht zu akzeptieren. Selbstverständlich stimmen wir mit Bürgermeister Siegfried Nagls Position überein, dass die osteuropäischen Staaten zu einer menschenwürdigen, existenzsichernden Politik von der EU verdonnert werden mögen. Doch wir dürfen diesen überfälligen sozialpolitischen Kraftakt nicht auf Kosten der bettelnden Roma austragen, sondern über die europäischen Institutionen. Pfarrer Wolfgang Pucher, der diese Sicht ebenfalls teilt, weist zudem beharrlich darauf hin, dass wir den bettelnden Menschen, die bei uns anklopfen, hic et nunc helfen müssen und sie nicht auf den St. Nimmerleinstag vertrösten können. Denn das widerspräche dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter aus dem Neuen Testament, der sofort und angemessen Hilfe leistet. Bettelverbote widersprechen aber auch den kodifizierten Ansprüchen einer Menschenrechtsstadt Graz ebenso wie der vom Land Steiermark ressortübergreifend verabschiedeten „Charta des Zusammenlebens in Vielfalt“. http://www.zusammenleben.steiermark.at/cms/beitrag/11562700/68684441

 

 

Reformpartnerschaft muss endlich Kante und Flagge zeigen für Menschenrechte

Die Reformpartnerschaft – wir wiederholen unsere bereits im Vorjahr publizierte wohlwollende Einschätzung – hat für unsere Steiermark viele kluge politische Entscheidungen getroffen, an deren Beginn die notwendige Einsicht erwuchs, dass die SPÖ und die ÖVP – miteinander für unser Land arbeiten müssen und das Landeswohl über Parteiinteressen zu stehen hat, will man unser Land nicht – wie in Kärnten geschehen – in den wirtschaftlichen Bankrott führen. Die Bundesregierung kann von unserer Landesregierung sachpolitisch alles lernen, umgekehrt wäre es eine Bernhardsche Fataltragödie! Für diese kooperative Form des Regierens für übergeordnete Landesziele gebührt unser ganzer Respekt und unsere Unterstützung!

 

Kein „Heulen mit den Wölfen des Rechtspopulismus“

Doch beim Thema „Betteln“ zog es die geschätzte Reformpartnerschaft vor, sich auf die Seite der rechtspopulistischen Alarmisten zu schlagen, anstatt sich – im Geiste der Menschenrechtsstadt Graz und im Geiste der landeseigenen „Charta des Zusammenlebens in Vielfalt“ – für gelebte Solidarität mit den Ärmsten zu verpflichten. Genau diesen Mut, das lehrt uns der Aufstieg des sogenannten dritten Lagers von Jörg Haider bis H. C. Strache, braucht es aber im politischen Wettbewerb mit den Rechtspopulisten. Die Reformpartnerschaft müsste – analog zu den notwendigen und mutig gestarteten Gemeindefusionen – auch beim Betteln Flagge und Kante zeigen, nicht Einknicken vor FPÖ, BZÖ, Grazer Innenstadtkaufleuten, Boulevardmedien und deren Leserbriefschreibern. Die Reformpartnerschaft darf nicht mit den „Wölfen des Rechtspopulismus heulen“, will sie mittelfristig nicht ihre eigene Glaubwürdigkeit aufopfern. Ein paar Milliarden mehr Schulden bereiteten Bundeskanzler Kreisky weniger schlaflose Nächte als ein paar hunderttausend Arbeitslose. Man möge nie die „kleinen Leute vergessen“, lautete ein grundsatzpolitisches Credo von Josef Krainer I. Beide Persönlichkeiten fänden eine Politik auf Kosten der Allerärmsten schlicht als Schande für ein sozialdemokratisches wie auch für ein christlich-soziales Weltbild.