„Wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!“ Gedanken zum Weltfrauentag am 8.März 2020

Am 8.März feiern wir alljährlich den Weltfrauentag, der als Initiative sozialistischer Organisationen zu Beginn des 20.Jahrhunderts im Kampf um Emanzipation, das Wahlrecht für Frauen, soziale und rechtliche Gleichstellung sowie faire Lebensbedingungen für Arbeiterinnen, Ehefrauen und Mütter entstanden ist. Im Jahr 1911 wurde dieser erstmals als „Frauenkampftag“ in Dänemark, Deutschland, Österreich-Ungarn und der Schweiz begangen. Die Vereinten Nationen erkoren ihn 1975 als „Tag der Vereinten Nationen für die Rechte der Frau und den Weltfrieden“ aus.

Heute ist der 8.März ein Tag, der die zahlreichen bahnbrechenden und wichtigen Errungenschaften von und für Frauen im gesamten vergangen Jahrhundert ebenso symbolisiert wie die vielen Lücken und den nach wie vor bestehenden Aufholbedarf in puncto Emanzipation und Chancengleichheit für das weibliche Geschlecht in unserer modernen Gesellschaft.

Ein Rundumblick in der Gegenwart führt uns heute, im Jahr 2020, vor Augen, dass die einst so energische, kämpferische und hoch politische Frauenbewegung hierzulande in komatösen Schlaf verfallen zu sein scheint. Zwischen Unkenrufen gegenüber „männerhassenden Mannweibern“, belächelnden Kommentaren zu Frauentagsdemonstrantinnen und gelangweiltem Achselzucken bei der Frage nach der Notwendigkeit einer feministischen Bewegung für die Gleichstellung der Geschlechter, sei in erster Linie zu folgendem zu raten: zu einem Blick in die Vergangenheit! Dieser offenbart uns, dass es seit jeher engagierte, mutige, aus Tatendrang und mit Herzblut überzeugte Frauen und ihre Initiativen sind, die großes erreichen.

Ein paar Beispiele für große Errungenschaften in der österreichischen Geschichte der Frauenbewegung: 1918 erlangten Frauen in Österreich das aktive und passive Wahlrecht, 1979 wurde Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt gesetzlich verankert. Seit der „Fristenlösung“ 1975 sind Frauen in der Frage des Schwangerschaftsabbruchs selbstbestimmt, seit 1976 können Ehefrauen ohne Zustimmung ihrer Ehemänner berufstätig werden. Diese und viele weitere Meilensteine waren und sind stets eingebunden in ein sozioökonomisches Geflecht aus tradierten Rollenbildern- und erwartungen, Persönlichkeitseigenschaften, die vielfach durch Sozialisation geprägt werden, ökonomischen Notwendigkeiten und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen.

In genau diesem Geflecht finden sich jene Ankerpunkte, an denen anzuknüpfen und Veränderungen zu bewirken notwendig ist – heute noch genau so wie in der Vergangenheit. Warum dies notwendig ist, zeigt der Blick auf unsere Gegenwart und Zukunft. Denn wer möchte, dass alleinerziehende Mütter nicht in Existenznöte geraten, dass sowohl Mütter wie auch Väter ausreichend Zeit mit ihren Kindern verbringen können, dass weibliche gut ausgebildete Erwerbstätige dieselben Karrierechancen haben wir ihre männlichen Kollegen und dass Mädchen und Frauen unabhängig ihrer Nationalität, Religionszugehörigkeit oder kulturellen Herkunft ein gewaltfreies, selbstbestimmtes und glückliches Leben haben können, der sollte etwas dafür tun. Am besten das ganze Jahr über, damit man nicht nur an einem Tag das Gute feiern und nur ein winzig kleines Stück vom Kuchen essen muss. Denn wie lautet eine zentrale Forderung der Frauenbewegung: „wir wollen nicht nur ein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei!”

 

Link-Tipps zum Weltfrauentag – 8.März 2020:

  1. Multimediale Lehr- und Lernmaterialien zur Frauenbewegung in Österreich: „Frauenarbeit und Fristenlösung“: https://www.mediathek.at/unterrichtsmaterialien/frauenbewegung/

 

  1. Song zu Feminismus (Yasmo & die Klangkantine, 2017) „Girls Wanna Have Fun“: https://www.youtube.com/watch?v=dEN2GiZH0HM

 

  1. ORF-Dokumentationen zu gesellschaftlichen Meilensteinen rund um „Frauen“: https://tvthek.orf.at/history/Frauen/13557868