Social Media´s Zukunft ist Beziehung

Impressionen der Social Media Tagung der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus

Wie kann ich meine Zielgruppe durch Social Media erreichen und erweitern? Wo nützen digitale Medien, wo braucht es realen Personenkontakt? Was bedeutet „kollektive Intelligenz“? Und welche Bedeutung werden Facebook, Twitter & Co in Zukunft haben? Diese und viele weitere Fragen wurden bei der Social Media Tagung der ARGE Jugend gegen Gewalt und Rassismus am Freitag, dem 12.Oktober 2018 im JUFA Hotel Graz City diskutiert. Mit Vortragenden wie Social-Media-Berater und blueLABGeschäftsführer Peter Webhofer sowie Social-Media-Managerin des Standard online Lisa Stadler standen renommierte Expert/innen aus der Branche am Rednerpult und gewährten Einblicke in die schnelllebig-unübersichtliche wie auch spannend-facettenreiche Welt digitaler Medien. Ziele der achtstündigen Tagung, die 40 Gäste aus Jugend-, Bildungs- und Sozialbereich, öffentlicher Verwaltung und Politik sowie Marketing und Öffentlichkeitsarbeit umfasste: „Wissensvermittlung und Erfahrungsaustausch zur sicheren und sinnvoll-effizienten Social-Media-Nutzung in Bezug auf politische Bildung, Jugend und Beteiligung sowie praxisbezogene Ratschläge zur Qualitätsverbesserung im gezielten Einsatz sozialer Medien.“, so ARGE-Geschäftsführer Christian Ehetreiber. Die Stichworte „Jugend“ und „Beteiligung“ bildeten dabei wichtige Themenanker im Vortrag von Peter Webhofer. „Die Jugendlichen gehen zunehmend weg von Plattformen wie Facebook und hin zu WhatsApp-Gruppen mit Freundinnen und Freunden. Sie interessieren sich in Social Media viel mehr für Interaktion mit Personen als für Marken“, so der Organisationsentwickler unter Bezugnahme auf den „Jugend-Internet-Monitor 2018“ von Saferinternet über die Social-Media-Präferenzen und Trends der österreichischen Jugend. Demzufolge nützt die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen unseres Landes WhatsApp (85%) und Youtube (81%) für soziale Interaktionen im Web, wobei Instagram (63%), Snapchat (59%) und Facebook (52%) im Mittelfeld rangieren und Skype (30%) letztlich eher zum „Auslaufmodell“ in Sachen Kommunikation und Interaktion der Generation Z verkommt.

„Bist du schon auf? – Ja ich bin!“ – die Hochphase sozialer Medien

Dass bei der heutigen Jugend ein Messenger-Dienst wie WhatsApp, der persönlicher, privater und überschaubarer anmutet, beliebter ist als das von offiziellen Unternehmen, kommerziellen Produkten und wachsamen Eltern zunehmend infiltrierte globale Netzwerk Facebook scheint vor dem Hintergrund der Geschichte sozialer Medien nicht weiter verwunderlich: nach der Erfindung des „World Wide Web“ (www) 1989 und der Entstehung erster sozialer Netzwerke Mitte der 1990er Jahre erlebten letztere ihren weltweiten Durchbruch wenige Jahre nach der Jahrtausendwende (Gründung von LinkedIn und Myspace 2003, XING und Facebook 2004). „Bist du schon auf? – Ja ich bin!“ lautete in dieser Hochphase der Social Media-Welt oftmals der Pausendialog zwischen Freund/innen und Kolleg/innen vor allem der jungen Generation. „Wir sind online!“ – so der zunehmend stärker werdende gesamtgesellschaftliche Tenor quer durch alle Bevölkerungsschichten. Zu Beginn der 2010er Jahre erlebten Social Media erneut einen großen Hype, da Smartphones, Tablets und andere Geräte auf den Markt kamen, welche mobile Internetnutzung ermöglichen. Digitale Kommunikation und Interaktion waren von nun an rund um die Uhr und an jedem Ort der Welt möglich, die technischen Möglichkeiten wurden stetig größer und besser und die Social-Media-Nutzung gestaltete sich einfacher, dynamischer und weitläufiger. Die digital vernetzte Welt war geboren!

Überlegungen zur sinnvollen Verschränkung der realen und digitalen Welt

Heute, wo internetfähige Geräte allgegenwärtig und Social Media im privaten wie auch beruflichen Kontext nahezu selbstverständlich sind, zeigt sich ein ambivalentes Bild in Hinblick auf Chancen und Potenziale sowie Grenzen und Gefahren der digitalen Kommunikation und Interaktion – dies vor allem in der politischen Bildung und Beteiligung! Von Internetsucht und Hasspostings über Kampagnen-Hypes im Politaktivismus und globale Werbestrategien bis hin zum Cyber-Kaffeetratsch in Israel eröffnet sich nunmehr ein schier grenzenlos erscheinendes Spektrum an Nutzungsmöglichkeiten von Social Media. Für den optimalen Einsatz dieser Nutzungsmöglichkeiten sind Überlegungen zur sinnvollen Verschränkung der realen und digitalen Welt ebenso unerlässlich wie Strategien zur Erreichung und Erweiterung der Zielgruppe. Wie Organisationen Social Media in der politischen Bildung und Beteiligung einsetzen können, erklärten neben den beiden Hauptreferent/innen der Tagung hochrangige Vertreter/innen renommierter Vereine und Fachstellen. In kurzen Inputvorträgen gaben sie dem Publikum Ratschläge und berichteten Erfahrungswerte aus ihrer täglichen Praxis. Sei es die Web-Kampagne „Zeige dein Gesicht – gegen Diskriminierung“ oder die Anti-Hass-Posting-App „BanHate“ der Antidiskriminierungsstelle Steiermark, die Beratungsstelle #GegenHassimNetz für Fälle von Online-Hass des Vereins ZARA (Zivilcourage und Anti-Rassismus-Arbeit) oder die tägliche Facebook-Präsenz und digitale Spendenakquise der Vinzi Werke und der ROTE NASEN Clowndoctors – diese und viele weitere Organisationen in der Steiermark zeigen auf vorbildliche und beachtenswerte Weise die Vorteile von Social Media in der Menschenrechts- und Demokratiebildung auf.

„Und wo steuern soziale Medien in der Zukunft hin?“…

…so die Frage einer Teilnehmerin im Rahmen eines von drei Workshops, die am Nachmittag der Tagung stattfanden. „Die Zukunft ist Beziehung!“, meint Peter Webhofer zum Abschluss seines Vortrages und zitiert damit das Zukunftsinstitut, eine Institution, die als einer der einflussreichsten Think Tanks der europäischen Trend- und Zukunftsforschung gilt. Eine gelingende und erfolgreiche Zukunft haben wir, die wir Social Media in der politischen Bildung und Beteiligung zum Besten einsetzen wollen, mit unserer täglichen Arbeit für und mit den Menschen dann, wenn wir auf Beziehung setzen. Kurzum: wir werden weiterhin digitale Medien brauchen, um Menschen zu erreichen, um Bewusstsein zu bilden und um grenzenlos-flexible Formate für Informationsvermittlung, Austausch und Vernetzung zu schaffen. Wir werden aber auch weiterhin Räume für reale Personenkontakte benötigen, in denen Emotionen gelebt und gespürt werden können. Und wir werden weiterhin – digital wie auch real – folgende Leitprinzipien in den Fokus unserer Arbeit rücken müssen: die offene Begegnung, das respektvolle und wertschätzende Miteinander, das friedvolle Zusammenleben in Vielfalt sowie die zwischenmenschliche Beziehung in ihrer Einzigartigkeit. Das Projekt wurde gefördert von der ÖGPB – Österreichische Gesellschaft für politische Bildung.

Text: Martina Weixler

Fotos: Christian Ehetreiber